50 Jahre Uniklinikum: Im Gespräch mit Ärztlichem Direktor und Dekan

50 Jahre Uniklinikum: Im Gespräch mit Ärztlichem Direktor und Dekan

Herr Prof. Schwaiger, wie hat sich das Klinikum in den vergangenen 50 Jahren entwickelt?

Markus Schwaiger: Wir haben uns von einem städtischen Krankenhaus hin zu einem erfolgreichen Universitätsklinikum entwickelt. Unseren primären Auftrag, eine erstklassige Krankenversorgung vor Ort sicherzustellen, erfüllen wir sehr gut. Zusätzlich haben wir es in den vergangenen 50 Jahren geschafft, akademische Lehre und Forschung auf höchstem nationalem und internationalem Niveau zu etablieren. Ein Motor dieser Entwicklung war und ist sicherlich die Rivalität mit unserer großen Schwester LMU, die uns immer auf Trab gehalten hat und hält. Als Teil der Exzellenz-Universität TUM liegen wir heute in diesem geschwisterlichen Wettstreit aus meiner Sicht auf Augenhöhe. Jedes Uniklinikum lebt von den Personen, die dort arbeiten: Von Anfang an haben wir es durch eine gute Berufungspolitik geschafft, die Besten zu uns nach München zu holen: Ob in Kardiologie, Gastroenterologie, Mikrobiologie, Chirurgie oder Bildgebung – überall konnten und können wir große Erfolge vorweisen. Wir zeichnen uns durch ein klares Forschungsprofil aus, indem wir nicht nur Grundlagenforschung betreiben, sondern uns primär auf patientenrelevante, experimentelle und klinische Forschung konzentrieren. Diese translationale Forschung ist unsere Stärke, die wir noch in diesem Jahr durch die Eröffnung des TranslaTUM weiter ausbauen werden.

Prof. Markus Schwaiger

"Wir haben uns von einem städtischen Krankenhaus hin zu einem erfolgreichen Universitätsklinikum entwickelt."

Was hat sich in den vergangenen 50 Jahren in der medizinischen Forschung getan, Herr Prof. Henningsen?

Peter Henningsen: Wir sprechen hier von einem halben Jahrhundert, in dem sich natürlich sehr viel getan hat: Hervorheben möchte ich im diagnostischtherapeutischen Bereich z. B. die Entwicklung der bildgebenden Verfahren, beginnend mit der Computertomographie vor ungefähr 50 Jahren. Sie hat die Diagnostik geprägt und entscheidend vorangebracht. Auch die Endoskopie und die Katheter-Medizin gehören in die Reihe der wichtigen Entwicklungen. Heute ist die immer stärker werdende elektronische Vernetzung von großer Bedeutung, das Stichwort dazu lautet Big Data. Die digitalisierten Daten sollen der Forschung zur Verfügung gestellt werden und sie dienen auch direkt dem Patienten. Denn durch die elektronische Verarbeitung ist es uns möglich, alle Daten, die wir aus genetischen, laborchemischen und auch bildgebenden Verfahren gesammelt haben, zusammenzuführen, um daraus für jeden Patienten seine eigene, maßgeschneiderte Therapie zu entwickeln. Der systembiologische Ansatz, die Grenzen zwischen klassischen Krankheitsbildern aufzuweichen und sich die Gemeinsamkeiten z. B. zwischen entzündlichen und Krebs- oder auch neurodegenerativen Erkrankungen anzuschauen, ist für das Verstehen von Krankheitsmechanismen und Therapieansätzen sehr wichtig. Hier stellen wir uns, was die Autoimmunerkrankungen des Nervensystems angeht, im Moment mit dem Entstehen unseres MS-Forschungszentrums sehr gut auf.

Und welche Entwicklungen erwarten Sie für die Zukunft?

Peter Henningsen: Die translationale Forschung ist schon seit einigen Jahren ein wichtiger Trend: Es geht darum, dass die Grundlagenforschung schneller und direkter in die Patientenversorgung mit einfließt – heute müssen Forschung und Anwendung immer näher zusammenrücken. Mit TUMCells haben wir hier beispielsweise ein interdisziplinäres Zentrum geschaffen, das die Kräfte des Klinikums rechts der Isar, der TUM und des HelmholtzZentrums München wunderbar bündelt und die trans - lationale Forschung vorantreibt. Wir haben das Glück, Teil einer Technischen Universität zu sein. Die Interaktion der verschiedenen Wissenschaftskulturen – unter anderem von Medizinern, Biologen, Elektrotechnikern und Informatikern – ist zukunftsweisend und hilft uns, ganz vorne mit dabei zu sein. Das neue Forschungszentrum für translationale Onkologie auf unserem Campus, das TranslaTUM, wird hier eine wichtige und international sichtbare Pionierfunktion haben.

Prof. Peter Henningsen

"Wir haben das Glück, Teil einer Technischen Universität zu sein."

Wohin geht aus Ihrer Sicht die Reise, Herr Prof. Schwaiger? 

Markus Schwaiger: Es ist unser Anspruch, uns kontinuierlich zu verbessern. Der Ausbau von Kooperationen mit anderen Fakultäten der TUM gibt uns zum Beispiel die Möglichkeit, noch innovativer und mit modernsten Techniken zu forschen. Auch in Zukunft wollen wir interdisziplinäre und interprofessionelle Plattformen entwickeln, wo Forschende gemeinsam neue Ideen entwickeln und umsetzen können. Wir haben Pläne, den Campus rechts der Isar auszubauen und weitere interdisziplinäre Behandlungszentren zu etablieren. Auch wird die Schaffung neuer Laborflächen vorangetrieben, um den Nachwuchsforschern ein attraktives Forschungsumfeld bieten zu können. Durch die Innenstadtlage sind natürlich räumliche Grenzen gesetzt, die uns vor die Herausforderung stellen, den vorhandenen Raum besonders effizient und Synergieeffekte bestmöglich zu nutzen. Das gereicht uns sicher zum Vorteil. Unsere Anstrengungen, die Besten zu finden und zu uns nach München zu holen, werden wir beibehalten. Ebenso ist es unser Anspruch, unsere Studenten und Mitarbeiter zu den Besten ihres Faches auszubilden. München ist einer der führenden Wissenschaftsstandorte in Europa und bietet darüber hinaus eine sehr hohe Lebensqualität. Für ehrgeizigen Nachwuchs ist das sicherlich ein weiterer und besonderer Anreiz, zu uns zu kommen.

Wie wird der Nachwuchs auf die künftigen Herausforderungen vorbereitet?

Markus Schwaiger: Bei allem Fortschritt: Wir bilden in erster Linie Ärzte aus, die die Patienten gut und professionell behandeln sollen. Daneben wollen wir aber Ärzte ausbilden, die als Wissenschaftler „mehrere Sprachen sprechen“: Die Sprache der Medizin, der Informatik, der Ingenieure. Natürlich wird das nicht jeder können. Aber wer es anstrebt und leisten kann, wird bei uns die besten Voraussetzungen für eine Arbeit finden, die Fachgrenzen überschreitet. So wird unter anderem das TranslaTUM, das wir in Kürze eröffnen, eine "Schule" sein, in der junge Kollegen diese unterschiedlichen Sprachen lernen werden. 

Noch eine Frage zum Abschluss, Herr Prof.Henningsen: Wie sehen Sie das Verhältnis zur LMU?

Peter Henningsen: Wir sind und bleiben Wettbewerber. Aber gleichzeitig verbindet uns eine stabile, teilweise durchaus freundschaftliche Zusammenarbeit. Wir sind hier in München die kleine Schwester. Das ist aber nicht unbedingt ein Nachteil, sondern es hilft uns, Entwicklungen früher voranzutreiben und schneller zu sein. 

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