50 Jahre Uniklinikum: Knorpel - frisch aus der Petrischale

50 Jahre Uniklinikum: Knorpel - frisch aus der Petrischale

Früher oder später kommen sie alle zu Prof. Andreas Imhoff: Spitzensportler aus Deutschland und der Welt, mit Verletzungen, die so gravierend sind, dass sie unbehandelt das sportliche Aus bedeuten würden. Gut ablesen kann man das an den Wänden der Abteilung: „Der hier, den haben wir an der Schulter operiert, und den hier am Knie …“ Schweizerisch unaufgeregt führt der Abteilungschef die Bildergalerie entlang: Messi und Co lachen von der Wand. Sie haben ihre Bilder mit Autogrammen verziert, als Dankeschön für eine gelungene OP, die wahrscheinlich ihre Karriere gerettet hat. Die Sportorthopädie im Rechts der Isar ist schon lange kein Geheimtipp mehr – sie gehört zu den renommiertesten Heil-Adressen, wie gemacht für den internationalen Leistungssport. Die „Spezialitäten“ des Teams um Professor Imhoff sind das Reparieren von Muskel- und Sehnenverletzungen und das Beheben von Knorpelschäden im Knie.

Andreas Imhoffs Leidenschaft für den Knorpel begann 1994. Damals war es einem schwedischen Orthopäden erstmals gelungen, einem Patienten Stützgewebe ins Knie zu transplantieren, das zuvor in der Petrischale gezüchtet worden war. Imhoffs Interesse war geweckt und der Knorpel hat ihn bis heute nicht mehr losgelassen. Seither sind viele Forscher-Jahre vergangen, Jahre mit hohen Erwartungen, großen Fortschritten und auch mancher Enttäuschung.

Sportorthopäde Prof. Andreas Imhoff im OP

Andreas Imhoff gehört zur weltweiten Spitzengruppe der Knorpel-Experten, er hat viel erreicht und will noch viel mehr: „Wir können heute kleinere und mittlere Defekte füllen, so wie sie vor allem bei einem traumatischen Schaden auftreten“, erklärt der Experte. Das ist wunderbar für junge Menschen, für Spitzensportler, die nach einem Eingriff wieder völlig beschwerdefrei sind. Ältere, arthrosegeplagte Menschen dagegen, die unter einem degenerativen Knorpelschadenleiden, können (noch) nicht erfolgreich behandelt werden: „Es ist bisher nicht möglich, einen gesamten Knorpel-Überzug zu machen – sondern nur, kleine Felder aufzufüllen. Auch das Milieu im Gelenk eines älteren Menschen ist leider nicht mehr so gut, als dass der gezüchtete Knorpel dort gut überleben könnte“, bedauert der Forscher. Um ein junges, lädiertes Sportlerknie wieder zu richten, werden dem Patienten Knorpelzellen entnommen und im Labor vermehrt. Nach einigen Wochen, wenn die Zellen in genügender Zahl vorliegen, werden diese noch im Labor auf eine Kollagenmembran aufgebracht. Nun können die Zellen wieder ins Knie implantiert werden, wo sie anwachsen und den Knorpeldefekt verschließen. Zwei Operationen also: Eine für die Entnahme, eine für die Rückgabe. Wäre es nicht viel schonender für den Patienten, ihn nur einmal zu operieren? Das probierten Imhoff und sein Team vor einigen Jahren. Sie entnahmen den Knorpel arthroskopisch, brachten ihn noch im OP-Saal auf einen geeigneten Trägerstoff auf und gaben ihn sofort wieder zurück. „Das war natürlich eine naheliegende Idee, die Patienten nur einmal zu belasten. Aber leider klappt das nicht so richtig“, bedauert der Schweizer. Denn die Qualität des im Knie nachwachsenden Knorpels ist nicht gut genug. Die Laborzüchtungen liefern qualitativ wesentlich bessere Ergebnisse. Weshalb das so ist, gehört zu den Fragen, die Andreas Imhoff intensiv beschäftigen.

Also alles nichts gewesen? Nein, bei weitem nicht. Denn zum einen dauern die Züchtungen im Labor nicht mehr so lange wie früher – in der Regel nur noch drei Wochen und nicht mehr sechs. Und zum anderen vermehren sich die Zellen in der Petrischale mittlerweile zuverlässig und in guter Qualität. Außerdem gibt es mittlerweile Methoden, um bei bestimmten Knorpelschäden eine rein arthroskopische Implantation der Knorpelzellen vorzunehmen. Auch das ist ein großer Fortschritt. Das letzte Wort ist damit aber noch lange nicht gesprochen: „Es gibt keinen schnellen Erfolg“, weiß Imhoff. Auch weiterhin wird er forschen und dem Knorpel seine Geheimnisse nach und nach entlocken.

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