50 Jahre Uniklinikum – wie alles anfing

50 Jahre Uniklinikum – wie alles anfing

Zu viele Medizin-Studenten hatten viel zu wenig Platz - die Not war groß. Also empfahl der Wissenschaftsrat im Herbst 1960, Ausbildungsstätten zu gründen. Der bayerische Landtag folgte diesem Rat und beschloss 1962, eine weitere Medizin-Fakultät im Land zu errichten. Augsburg sollte es werden, da waren sich alle Beteiligten schnell einig und verabschiedeten einen entsprechenden Beschluss. Leider hatten sie versäumt, im Voraus die Gegebenheiten vor Ort zu prüfen: Gebraucht wurde ein Krankenhaus, in dem sofort der Lehrbetrieb aufgenommen werden konnte – das Augsburger Zentralkrankenhaus war zu der Zeit aber in einem viel zu desolaten Zustand, um als Ausbildungsstätte zu dienen. Es hätte zu viel Geld und zu viel Zeit gekostet, um das zu ändern.

Es folgte eine längere Hängepartie: Der Beschluss für Augsburg stand, konnte aber nicht umgesetzt werden. Kurz wurde Nürnberg in Erwägung gezogen, aber wieder verworfen, da bereits viel Geld in die hervorragende Medizinische Fakultät in Erlangen floss und weiter fließen musste. Ein Ausbau im nahen Nürnberg schien da wenig sinnvoll. Da keinem der Akteure ein weiterer möglicher Standort einfiel, ruhte das Vorhaben – ungeachtet der steigenden Zahl an Medizin-Studenten.

Hörsaaleinweihung durch Georg Maurer

An München dachte zu der Zeit niemand – oder besser gesagt fast niemand. Denn einer hatte einen verwegenen Plan: Noch an dem selben Tag, an dem Ludwig Huber im Oktober 1964 zum Kultusminister ernannt wurde, überraschte er seinen engsten Mitarbeiter Karl Böck mit der Aussage: „Ich will in München eine zweite Medizinische Fakultät.“ Ein Tabubruch sondergleichen war das und der Auftakt zu einem Lehrstück in politischem Strippenziehen. Alles sprach gegen ein solches Ansinnen: Der Landtagsbeschluss für Augsburg war immer noch gültig, die LMU wollte keine zweite Medizinische Fakultät im Haus und schon gar nicht als Konkurrenz in der Stadt. Außerdem waren viele in Bayern der Überzeugung, dass München ungerechterweise sowieso immer bevorzugt wurde. Alle Entscheidungsträger waren dagegen, nur Ludwig Huber wollte es und kämpfte für seinen Plan. Neben seinem loyalen Mitarbeiter Karl Böck gab es allerdings noch eine weitere Person in der Stadt, die ihn unterstützte. Das war Georg Maurer.

 

Richter brechen die Tradition

Georg Maurer, der seit 1948 als außerplanmäßiger Professor für Chirurgie an der LMU lehrte und seit 1953 Chefarzt der Chirurgischen Klinik am Städtischen Krankenhaus rechts der Isar war, forderte schon länger Reformen ein. Aus gutem Grund: Die Hauptvorlesung Chirurgie bei Rudolf Zenker war hoffnungslos überfüllt und es bestand dringend Handlungsbedarf. Maurer bot an, diese scheinpflichtige Vorlesung ebenfalls am Städtischen Krankenhaus rechts der Isar abzuhalten und so neue Kapazitäten zu schaffen. Doch er erntete mit seinem Vorschlag einen Sturm der Entrüstung: Rudolf Zenker, die Fakultät für Medizin und der Senat der LMU waren einhellig der Auffassung, dass nur ein Ordinarius eine scheinpflichtige Vorlesung halten könne, nicht aber ein außerplanmäßiger Professor.

Der Streit eskalierte und ging vor Gericht. Dort sah es zunächst schlecht aus für Maurer: Er unterlag sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch dem Verwaltungsgerichtshof, der auch eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zuließ. Doch Maurer gab nicht auf und erkämpfte eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem obersten Verwaltungsgericht. Am 5. Februar 1965 schließlich gaben ihm die Richter Recht: Auch außerplanmäßige Professoren durften scheinpflichtige Vorlesungen halten. Mit seinem Einsatz schrieb der kämpferische Georg Maurer hochschulpolitische Geschichte und er ebnete den Weg für die Gründung der Medizinischen Fakultät am Rechts der Isar mit Anbindung an die Technische Hochschule.

Dass Maurer schon früh weitreichende Pläne hatte, lässt sich auch an anderer Stelle ablesen: Bereits 1957 ließ er einen für ein städtisches Krankenhaus erstaunlich großen Hörsaal einweihen (der heutige Hörsaal D), außerdem stellte Maurer vornehmlich habilitierte Chefärzte als Klinikdirektoren ein.

Doch noch war die Zeit nicht reif für eine zweite Medizinische Fakultät in der Landeshauptstadt, geschweige denn am Rechts der Isar. Zwar rührte Kultusminister Ludwig Huber die Werbetrommel für München, aber nach wie vor war der Landtagsbeschluss gültig, der Augsburg vorsah. Die Lösung kam am Krankenbett und wieder – wie der Zufall so will – hatte Maurer seine Hände mit im Spiel.

Wirtschafts- und Sozialwissenschaften statt Medizin

Der engste Mitarbeiter des Kultusministers, Karl Böck, kam mit einem Magengeschwür ins städtische Krankenhaus rechts der Isar – auf die chirurgische Station von Prof. Georg Maurer. Ihn plagte die Langeweile, wie er später erzählte, und er freute sich, dass ihm Georg Maurer einen Mitpatienten aus dem Nebenzimmer vorstellte. Es war ein belgischer Professor, der an der LMU Volkswirtschaft lehrte. Die beiden tauschten sich aus und plötzlich, so schildert es Böck, fügte sich für ihn eins zum anderen: „Wirtschaftswissenschaft, Augsburg, alte Industriestadt, Fugger, Maschinenindustrie, Textilindustrie – das müsste doch für Augsburg eigentlich auch etwas sein.“

Zufälligerweise war Karl Böck mit Fürst Josef Ernst Fugger von Glött, einem starken Befürworter der Medizinischen Fakultät für Augsburg, persönlich befreundet und diesen überzeugte er recht bald davon, dass Augsburg statt der Medizin eine Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bekommen sollte.

Nach jahrelangem Tauziehen und Stillstand war damit endlich wieder Fahrt in die Causa Medizinische Fakultät im Land, respektive in der Landeshauptstadt gekommen. Recht bald war klar, dass das städtische Krankenhaus rechts der Isar die besten Voraussetzungen bot, um sofort den Lehrbetrieb aufzunehmen. Einen Sommer lang liefen die Verhandlungen mit der Stadt und am Ende war es soweit: Die Stadt behielt den Grund und Boden als Eigentum, die Gebäude und sämtliche medizinischen Gerätschaften bis hin zur Urinflasche gingen dagegen in Landesbesitz über. Der Weg für eine zweite Medizinische Fakultät, angegliedert an die Technische Hochschule, die somit zur Technischen Universität wurde, war frei.

Zunächst starker Gegenwind

Nach dem einstimmigen Landtagsbeschluss zu Gunsten einer Medizinischen Fakultät an der TUM wurde der renommierte Chirurg Rudolf Nissen als Vorsitzender des Berufungsausschusses gewonnen. Starke Nerven waren für diesen Job nötig, denn es gab weiterhin Gegenwind von allen Seiten: Die LMU machte Stimmung gegen die plötzliche direkte Konkurrenz und auch die Technische Hochschule fremdelte zunächst sehr stark mit dem plötzlichen Zuwachs. Doch die Folgejahre zeigten und zeigen immer noch: Die Liaison von Technik und Medizin ist gelungen und gewinnbringend, und zwischen den Forschern von TU und LMU entstanden über die Jahre höchst fruchtbare Kooperationen.

Back to top