50 Jahre Uniklinikum: Mit dem Schraubenzieher im Arztkittel

50 Jahre Uniklinikum: Mit dem Schraubenzieher im Arztkittel

„Der Mediziner“, so erklärte es Hans Blömer seinen Studenten immer wieder, „der Mediziner muss wissen, wo er steht.“ Zum Verdeutlichen malte der Professor das Bild vom Seiltänzer an die Tafel: Am linken Ende des Seils sah er den Medizinmann aus dem Urwald beheimatet, am rechten Ende den Medizin-Nobelpreisträger. Und er fragte seine Zuhörer in der Vorlesung: „Wo ordnet ihr euch ein? Habt ihr mehr vom Medizinmann, oder mehr vom Nobelpreisträger?“ Ihm, einem der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Kardiologen, war sehr daran gelegen, dass seine Studenten nie den Patienten aus den Augen verloren und gedanklich zu sehr in Richtung Nobelpreis „tanzten“. Blömer wollte sie zu tüchtigen Arztpersönlichkeiten erziehen, die auch die ärztliche Versorgung der Landbevölkerung sicherstellten. Und bis heute ist für den über 90-Jährigen die Medizin ganz klar eine Human- und nicht eine Naturwissenschaft.

Von München in die Welt

1950 hatte er sein Medizinstudium an der LMU abgeschlossen und bald zog es ihn in die Welt. „Ich bin in Stockholm und lerne Herzkatheter“, meldete er sich beispielsweise stolz mit einer Postkarte in die alte Heimat zurück. Gerichtet war die Karte an Arnold Bernsmeier, der in Düsseldorf am Lehrstuhl des bekannten Gustav Bodechtel tätig war. Noch heute lacht Professor Blömer verschmitzt, wenn er sich daran zurückerinnert – war es doch fast ein bisschen frech, sich als junger Kerl bei den Etablierten so zu Wort zu melden, die ihn deshalb wieder nach Hause geholt haben. 

Der junge Mediziner lernte also Herzkatheter. Stockholm, weltweit führend in Sachen Kardiologie, sollte dabei nicht sein einziger Aufenthalt zur Weiterbildung sein. Er ging auch nach London zu den berühmten Medizinern John McMichael und Paul Wood. Letzterer war „mein Papst, was die Untersuchung von Patienten angeht“, erinnert sich Blömer an seine Lehrjahre. Und auch in die USA zog es ihn, in die berühmte Mayo-Klinik. „Mein Aufenthalt dort war im Jahr 1957 und sie konnten mich schon gar nicht mehr so viel lehren“, erzählt er. Denn bereits 1954 hatte er in München die ersten Herzkatheter-Untersuchungen durchgeführt, in enger Zusammenarbeit mit der Herzchirurgie. Eine Sache aber hat ihn überall nachhaltig beeindruckt, nämlich die Gastfreundschaft, die er überall erfuhr: „Ich muss den Hut ziehen vor all den Menschen im Ausland, die mich so kurz nach dem Krieg als schlimmen Deutschen ganz natürlich aufgenommen haben und ihr Wissen mit mir geteilt haben.“  

Das gesammelte Experten-Wissen aus den führenden Kardiologie-Zentren der Welt nahm er mit zurück in seine alte Studienstadt München, wo er zwei Herzkatheter-Labore aufbaute, eines in der Universitätsklinik und eines später im Städtischen Krankenhaus rechts der Isar. Der junge Hans Blömer war dabei für alles zuständig: Er verhandelte mit einem Glasbläser, der die entsprechenden Geräte herstellte, und er legte auch selbst dabei Hand an. Er verfügte über das nötige technische Verständnis, um beispielsweise ein EKG-Gerät so umzubauen, dass daraus ein Druckmessgerät wurde: „Ich hatte immer einen Schraubenzieher im Arztkittel stecken“, erinnert sich der heute 93-Jährige an diese Aufbaujahre. 

Wir haben versucht es gut zu machen

Georg Maurer und Hans Blömer kannten sich also schon lange vor der Fakultätsgründung und sie schätzten sich gegenseitig. Und so war es ganz folgerichtig, dass der außerplanmäßige Professor Blömer 1967 Ordinarius für Innere Medizin und Direktor der 1. Medizinischen Klinik am rechts der Isar mit dem Schwerpunkt Herzkrankheiten wurde. Hans Blömer hatte damit einen der ersten kardiologisch ausgerichteten Lehrstühle in Deutschland inne und prägte die Entwicklung der jungen Fakultät ganz entscheidend mit.  

Die Lehre war nicht immer einfach: „Wir haben versucht, es gut zu machen – aber es gab nur einen richtigen Hörsaal.“ Die Professoren mussten improvisieren: „Den zweiten Hörsaal errichteten wir in der Unterkirche, zwischen Mariensäule und Kanzel stellten wir zwei Böcke auf und legten ein Brett quer drüber für den Professor. Unser dritter Hörsaal war im Aufenthaltsraum des Schwesternhochhauses.“ 

Wissenschaft nah am Menschen

Nicht zuletzt seine Lehrtätigkeit machte ihn zum Gesprächsstoff, ganz im Positiven. Wie ein Magnet zog Blömer die Studenten an: „Er war mit Abstand der faszinierendste Lehrer und hielt die dynamischste und beste Vorlesung“, schwärmt ein enger Mitarbeiter noch heute. Er erinnert sich nicht nur sehr gerne an die Vorlesungen von Hans Blömer, sondern auch an dessen Umgang mit den Patienten: „Ich sehe ihn noch heute, wie er sich zu den Patienten ans Bett setzte und auf Augenhöhe mit ihnen sprach. Sie vertrauten ihm.“ Der Arzt Hans Blömer war immer ganz nah am Menschen – sowohl am Patienten, als auch am Studenten. 

Auch auf die Ausbildung künftiger Generationen nahm er großen Einfluss: So arbeitete Hans Blömer die Anforderungen aus, die künftige Kardiologen und auch künftige Ausbildungsstätten erfüllen sollten. Nach jahrelangen Vorbereitungen trat dann 1972 die neue Facharztordnung, an der Blömer intensiv mitgewirkt hatte, für den Facharzt für Innere Medizin in Kraft – mit drei Gebieten Kardiologie, Gastroenterologie und Pneumologie.

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