Angehörige wirken präventiv: Experten fordern verstärkte Integration von Angehörigen bei der Behandlung von psychisch Kranken

Angehörige wirken präventiv: Experten fordern verstärkte Integration von Angehörigen bei der Behandlung von psychisch Kranken

Es gibt wenig, was Patienten mit psychischen Erkrankungen so gut hilft, wie die Einbeziehung ihrer Angehörigen in die Behandlung. Doch obwohl diese Erkenntnis längst wissenschaftlich belegt ist, wird sie bislang in der Praxis kaum umgesetzt: So bieten im deutschsprachigen Raum nur maximal zwei Prozent der psychiatrischen Kliniken eine psychoedukative Angehörigengruppe oder familientherapeutische Unterstützung an. Experten aus verschiedenen Einrichtungen fordern daher nun, Angehörige verstärkt in das Behandlungskonzept zu integrieren und entsprechende Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Laut internationaler Leitlinien sollte beispielsweise bei schizophren erkrankten Patienten die Einbeziehung der Angehörigen ein fester Bestandteil des Behandlungsprozesses sein. Denn wissenschaftliche Studien zeigen, dass alleine dadurch das Risiko für eine stationäre Wiederaufnahme um 20 Prozent reduziert werden kann. So kann der Übergang der Erkrankung in ein chronisches Stadium präventiv verhindert werden.
Hinzu kommt, dass eine systematische und umfassende Angehörigenarbeit nicht nur den Patienten hilft, sondern auch den Angehörigen selbst. Wie eine Studie ergab, sind Angehörige von psychisch Erkrankten gesundheitlich besonders belastet: Rund 60 Prozent von ihnen haben Beschwerden, die selbst behandlungsbedürftig sind.

Während in Deutschland aus diesen Forschungsergebnissen bislang noch recht wenig Konsequenzen gezogen wurden, hat sich in der Schweiz in den letzten Jahren einiges bewegt: So verfügen hier inzwischen einige psychiatrische Einrichtungen nicht nur über ein umfassendes Angehörigenkonzept, sondern auch über spezielle Beratungsstellen für diese Zielgruppe.
PD Dr. Josef Bäuml, leitender Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie am Klinikum rechts der Isar: „Unser Ziel ist es, auch in Deutschland die Angehörigen verstärkt zu integrieren. Erste Schritte sind dabei bereits erfolgt: So wurden vor allem in Bayern erfahrene Angehörige so geschult, dass sie nun selbst psychoedukative Angehörigengruppen leiten können. So können sich Betroffene fundiert informieren und gegenseitig unterstützen. Neue Versorgungsformen wie die psychiatrische Akutversorgung im häuslichen Umfeld, das sogenannte Home treatment, bieten weitere Chancen, Angehörige von Anfang an in das Behandlungskonzept zu integrieren und auch entsprechende finanzielle Mittel dafür zu erhalten.“

Einen Impuls für weitere Schritte soll die Fachtagung „Angehörige wirken präventiv! Werden sie entsprechend einbezogen?“ am 20 April am Klinikum rechts der Isar geben. Die Veranstalter vom Arbeitskreis Prävention der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft München wollen hier unter anderem diskutieren, wer Angehörige auf ihre Rolle vorbereitet, wie sie bei ihrer Aufgabe unterstützt werden können und wie das Thema in die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter von psychiatrischen Einrichtungen integriert werden kann. Zudem soll die Tagung dazu beitragen, psychiatrische Kliniken, sozialpsychiatrische Einrichtungen und Praxen zu motivieren, Angehörigengruppen aufzubauen. Auch sollen Unterstützungsmöglichkeiten und Supervisionsangebote organisiert werden.
 

Anhänge: 
Back to top