Neuer Pathomechanismus beim Multiplen Myelom entdeckt

Neuer Pathomechanismus beim Multiplen Myelom entdeckt

Forscher der III. Medizinischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der TU München haben die zellbiologischen Hintergründe für das allgemein gute Ansprechen des Multiplen Myeloms auf Proteasom-Inhibitoren wie Bortezomib erforscht. Sie konnten erstmalig zeigen, dass die Überexpression einer Ubiquitinligase bei dieser Erkrankung über verschiedene Signalwege zu einem Überlebensvorteil in Myelom-Zellen führt und mit gutem Ansprechen auf Proteasom-Inhibitoren einhergeht. Damit wurden sowohl mögliche prognostische Parameter für das Ansprechen auf Proteasom-Inhibitoren als auch potentielle neue therapeutische Zielstrukturen für die Entwicklung neuer Medikamente identifiziert. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen haben die Forscher um Priv.-Doz. Dr. Florian Bassermann in der Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Cell Biology veröffentlicht.

Das Multiple Myelom (MM) ist die zweithäufigste bösartige hämatologische Tumorerkrankung in Deutschland. In den letzten Jahren haben neue Wirkstoffe die Behandlung des MM erheblich verbessert und – in Kombination mit etablierten Therapien – zu einem deutlichen Anstieg der Ansprech- und Überlebensraten geführt.
Eine dieser erfolgreichen neuen Substanzen, die besonders beim MM Wirksamkeit zeigt, ist Bortezomib. Dieses Molekül hemmt das Proteasom, ein zelluläres Element, das dem Abbau von Proteinen dient. Dadurch kommt es zu einer Anhäufung von Proteinen und schließlich zum Absterben der Myelom-Zellen. Warum allerdings Bortezomib gerade beim MM so gut wirkt, ist noch nicht hinreichend geklärt.
Zelluläre Proteine, die über das Proteasom abgebaut werden sollen, werden mit einem Signalmolekül, dem Ubiquitin, markiert. Diese Markierung wird streng reguliert und erfolgt durch spezifische Enzyme, sogenannte Ubiquitinligasen.
Wissenschaftler der III. Medizinischen Klinik um PD Dr. Florian Bassermann haben nun in SCF-Fbxo9 eine Ubiquitinligase identifiziert, die bei etwa 30 Prozent der Myelom-Patienten überexprimiert wird und in diesen Fällen essentiell für das Überleben der Myelomzellen ist. In ihren Experimenten konnten sie zeigen, dass SCF-Fbxo9 die zelluläre Reaktion auf ungünstige Bedingungen wie Wachstumsfaktor- und Nährstoffentzug vermittelt. Unter diesen Umständen markiert Fbxo9 zwei Zielproteine, Tel2 und Tti1, für den proteasomalen Abbau und führt so zu einer Modulation der mTOR-Signalkaskaden. Dies hat die Anpassung des zellulären Stoffwechsels und letztlich das Überleben der Zellen auch in ungünstigen Wachstumsbedingungen zur Folge. Ist die Aktivität von Fbxo9 konstant erhöht, wie bei jenen 30 Prozent der Myelom-Patienten, werden Tel2 und Tti1 vermehrt abgebaut und das zelluläre Überleben der Zellen wird unabhängig von der Verfügbarkeit von Wachstumsfaktoren, was zur Entstehung des Multiplen Myeloms beiträgt.
"Wir haben somit einen durch das Ubiquitin-Proteasom-System vermittelten neuen zellulären Regulationsmechanismus entdeckt, dessen Deregulierung im Multiplen Myelom ungehinderte Zellteilung ermöglicht. Diese Erkenntnis trägt zu unserem Verständnis bei, warum diese Tumorentität besonders sensitiv gegenüber Proteasom-Inhibitoren ist“ so PD Dr. Florian Bassermann.
Tatsächlich konnten die Forscher in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Ulm zeigen, dass Patienten mit erhöhter Fbxo9-Expression besser auf eine Behandlung mit dem Proteasom-Inhibitor Bortezomib ansprechen, was die große klinische Relevanz dieser fehlregulierten Ubiquitylierungsreaktion zeigt.
Diese Ergebnisse können nun als Grundlage dazu dienen, Fbxo9 als möglichen prognostischen Marker für das Ansprechen auf Proteasom-Inhibitoren klinisch zu etablieren. Des Weiteren können die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, neue spezifische Zielstrukturen in der Therapie des MM zu identifizieren, welche die Therapie dieser Erkrankung weiter verbessern könnten.


Publikation:
Fernández-Sáiz, V, Targosz, B.S, Lemeer, S, Eichner, R, Langer, C, Bullinger, L, Reiter, C, SlottaHuspenina, J, Schroeder, S, Knorn, A.M., Kurutz, J, Peschel, C, Pagano, M, Kuster, B, and Bassermann, F. SCF-Fbxo9 and CK2 direct the cellular response to growth factor withdrawal via Tel2/Tti1 degradation and promote survival in multiple myeloma. Nature Cell Biology (Jan 2013)


Bildunterschrift
Die Abbildung zeigt das Protein Tel2 (rot) im Zytoplasma einer Zelle. Der gezielte Abbau von Tel2 durch die Ubiquitin-Ligase Fbxo9 steuert das zentrale mTOR Protein, worüber Zellwachstum und Zellüberleben reguliert werden. Der Zellkern kommt in blau zur Darstellung.
 

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