Sind manche Placebos wirksamer als andere?

Sind manche Placebos wirksamer als andere?

Sind manche Placebos wirksamer als andere?

Eine neue Studie legt nahe, dass komplexe Placebobehandlungen – wie etwa eine Scheinakupunktur – wirksamer sein können als eine Placebopille. Die Untersuchung, eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse, wurde unter Federführung von PD Dr. Karin Meissner und Prof. Klaus Linde am Institut für Allgemeinmedizin am Klinikum rechts der Isar der TU München durchgeführt und ist online in der Fachzeitschrift JAMA Internal Medicine erschienen.

Placebokontrollen spielen eine wesentliche Rolle bei der Überprüfung der Wirksamkeit einer Therapie. Sie werden nicht nur bei der Prüfung von Arzneimitteln eingesetzt, sondern nach Möglichkeit auch bei nicht-medikamentösen Behandlungen wie der Akupunktur, der Chirurgie oder psychologischen Interventionen. Es stellt sich aber die Frage, ob die Placeboeffekte bei komplexen nicht-medikamentösen Therapien größer sind als bei der einfachen Gabe einer Placebopille.

Die Arbeitsgruppe um Meissner und Linde untersuchte die Frage am Beispiel der Vorbeugung von Migräneattacken, da hierzu in der Vergangenheit die Wirksamkeit sehr unterschiedlicher Therapien mit ähnlichen Messmethoden untersucht worden ist. Insgesamt konnten 79 Studien in die Auswertung einbezogen werden, in denen meist eine echte Behandlung mit einer Placebobehandlung verglichen wurde. In 35 Studien erhielten Patienten ein Placebomedikament zur Einnahme, in weiteren zehn Studien per Injektion, in acht Studien Placebos für naturheilkundliche Medikamente, in 13 Studien Scheinakupunktur, in acht Studien Scheininterventionen für kognitive Therapien. In den verbleibenden Studien wurden verschiedene andere Placebointerventionen verwendet.

„Bei Patienten, die Scheinakupunktur oder eine Scheinoperation erhielten, wurde deutlich häufiger ein Rückgang der Migräneanfälle beobachtet als bei Patienten, die medikamentöse Placebos erhielten“, berichtet Dr. Karin Meissner, die auch am Institut für Medizinische Psychologie der LMU Placeboforschung betreibt. „Bei den Scheinoperationen handelt es sich um kleine Eingriffe, die nur selten untersucht wurden, daher sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, bei der Scheinakupunktur sind sie dagegen robust. Bei den anderen Placebobehandlungen konnten wir keine eindeutigen Unterschiede zu Placebotabletten finden.“
Die Forscher betonen auch, dass ihre Ergebnisse mit Zurückhaltung interpretiert werden müssen, da keine Studien vorlagen, in denen verschiedene Placebointerventionen direkt miteinander verglichen wurden.

Die Ergebnisse der Übersichtsarbeit sind wichtig für die Interpretation von Studien zur Wirksamkeit von Therapien. „Wenn etwa Scheinakupunktur wirksamer ist als eine Placebopille, ist es für die echte Akupunktur schwieriger zu beweisen, dass sie dem Placebo überlegen ist, als bei einem Medikament“ sagt Prof. Klaus Linde vom Klinikum rechts der Isar. „Studien sprechen dafür, dass Akupunktur zur Attackenvorbeugung tatsächlich wirksamer sein kann als Medikamente, obwohl die Akupunktur der Scheinakupunktur nur in geringem Maße überlegen ist, Arzneimittel medikamentösen Placebos dagegen recht deutlich überlegen sind.“

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
 

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