50 Jahre Uniklinikum: Wegweisende Entscheidungen in der Ära nach Georg Maurer

50 Jahre Uniklinikum: Wegweisende Entscheidungen in der Ära nach Georg Maurer

Als Gründungsvater Georg Maurer 1979 in den Ruhestand eintrat, stand die junge Fakultät vor einer großen Aufgabe: Bis dato war die Chirurgie das Aushängeschild gewesen und sie sollte es bleiben. Als Nachfolger von Maurer wollte man also eine besondere Persönlichkeit finden. „Das Dreiergespann Ernst Kolb (Anästhesiologie), Gerhard Pfohl (Geschichte der Medizin) und Günter Blümel (Experimentelle Chirurgie) hat die Kultur der ersten Fakultätsjahre entscheidend mitgeprägt“, erzählt Rüdiger Siewert. Ihr Wunschkandidat sei der Hannoveraner Rudolf Pichlmayr gewesen. Siewert wiederum war als der designierte Nachfolger Pichlmayrs in Hannover gehandelt worden. Doch dann gab es lange Zeit eine Menge Hin und Her, bis letztendlich der neue Dekan Hans-Werner Pabst sich für Rüdiger Siewert entschied. „Ich war Oberarzt in Göttingen und hatte natürlich – wie alle – die Entstehung der Fakultät aus der Ferne mitverfolgt. Ich habe bewundert, was Georg Maurer geschafft und geschaffen hat.“ Nun, 1982, war es an Siewert, gemeinsam mit den Kollegen die Fakultät voranzubringen.

Als sich herumsprach, dass Siewert als Direktor der Chirurgischen Klinik nach München gehen würde, „bekam ich Beileidsbekundungen“, erinnert sich der heute 77-Jährige lachend. „In der Außensicht von damals galt die Klinik als unregierbar, der vielen älteren Oberärzte wegen.“ Die Erwartungen an ihn waren hoch, nicht zuletzt auch deshalb, weil die junge Fakultät sich gegen die große LMU beweisen musste. „Es war klar: Die können wir nicht schlagen, die sind riesig, sowohl was die Quantität angeht, als auch die Qualität.“ Aber Augenhöhe war möglich und danach strebte der Chirurg, der dann ab 1987 das Klinikum als Ärztlicher Direktor leitete, von Anfang an.

Die Konkurrenz zur LMU beflügelte und natürlich bot sich eine Zusammenarbeit an. „Ich hatte einen kongenialen Partner an der LMU, Dekan Klaus Peter. Er war ein extrem fairer Mensch“, erinnert sich Siewert gerne zurück. „Wir haben all die Jahre sehr gut zusammengearbeitet und alle Probleme freundschaftlich geklärt.“ Einer der Punkte war die Vorklinik am Rechts der Isar. Sie war zu klein und konnte den Bedürfnissen nicht gerecht werden. Also, so schildert es Siewert, gab es zwei Möglichkeiten, nämlich auszubauen oder zu streichen. „Dekan Peter und ich haben uns zum Essen getroffen und die Sache geklärt: Es sollte eine gemeinsame Vorklinik geben, angesiedelt an der LMU.“ Die beste Lösung, bei der natürlich auch die Politik ein Wörtchen mitzureden hatte. Aber auch hier hatte Siewert, wie schon sein Vorgänger Maurer, gute Verbindungen. Nicht zuletzt die räumliche Nähe zur Landesregierung tat ihren Teil dazu. „Das ist hier eine unbezahlbare Location“, kommentiert der langjährige Ärztliche Direktor lapidar.

Rüdiger Siewert

"Die Nähe zum Patienten war immer unser Aushängeschild und macht das Besondere des Rechts der Isar aus"

Erfolgreiche Berufungen

Eine Fakultät lebt von den Menschen, die dort arbeiten und sie kann nur glänzen, wenn die Mitglieder entsprechend gut sind. Die äußerst erfolgreiche Berufungspolitik, die Rüdiger Siewert, Hans-Werner Pabst und dessen Nachfolger als Dekane all die Jahre betrieben, folgte einer bestimmten Philosophie: „Wir suchten und fanden junge Leute, die für ihre Sache brannten und die das Rechts der Isar groß machen wollten.“ So zum Beispiel auch bei der molekularen Bildgebung. „1993 haben wir Markus Schwaiger – heute Ärztlicher Direktor des Klinikums – auf den Lehrstuhl für Nuklearmedizin berufen und die notwendigen Geräte angeschafft.“ Die konsequente Forschung und Spezialisierung von Schwaiger und seinem Team war dann ausgesprochen erfolgreich. So konnte Schwaiger 2009 einen Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einwerben, der sich mit der Individualisierung der Therapie bei onkologischen Erkrankungen mittels bildgebender Verfahren beschäftigt. 2010 bekam die Klinik den Zuschlag für das weltweit erste integrierte molekulare MRGanzkörpersystem, das gleichzeitig MR- und PET-Daten mit einem System erfasst.

Wegweisende Entscheidungen

Rüdiger Siewert gestaltete neu. Zuerst machte er sich daran, die Chirurgie zu untergliedern: Neurochirurgie, Gefäßchirurgie, Unfallchirurgie, plastische Chirurgie, Allgemeinund Viszeralchirurgie – sie alle wurden eigenständig. Und er setzte Themen: „Eine Klinik muss für etwas stehen“, war sein Credo und „ich habe von Anfang an gesagt, wir müssen die onkologische Chirurgie entwickeln.“ Und das wurde, wie Siewert selbst sagt, „eine Erfolgsstory. Das Klinikum rechts der Isar wurde zur tonangebenden onkologisch-chirurgischen Klinik in Deutschland.“

Es gab eine ganze Reihe weiterer „wegweisender Entscheidungen“, erzählt der ehemalige Ärztliche Direktor. Dazu gehörte unter anderem die Stärkung der kardiovaskulären Chirurgie innerhalb der Fakultät durch die Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum. Der Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin und 1. Medizinische Klinik, Albert Schömig, übernahm ab 1995 zusätzlich die Leitung des Deutschen Herzzentrums. Dieses entwickelte sich unter seiner Führung zu einem der größten kardiovaskulären Kompetenzzentren in Europa. Eine weitere bahnbrechende Neuerung war die Idee, dass die Spezialisten verschiedener Disziplinenenger zusammenarbeiten sollten. Die am Klinikum rechts der Isar in den 90er Jahren erstmals etablierten Tumorboards, wo Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam eine Therapie festlegen, sind heute in vielen Kliniken Standard bei der Behandlung von Krebspatienten und sind prägender Inhalt der Comprehensive Cancer Center der Deutschen Krebshilfe.

Rüdiger Siewert im Gespräch mit Kollegen

Synergieeffekte

„Die Nähe zum Patienten war immer unser Aushängeschild und macht das Besondere des Rechts der Isar aus“, so Siewert. Die Innenstadtlage bedeutet kurze Wege für Patienten, Ärzte, Pflegepersonal und Besucher. Gleichzeitig stellt der Standort – wegen der begrenzten Ausdehnungsmöglichkeiten – die Planer vor große Aufgaben.

„Ich habe in den 20 Jahren meiner Amtszeit als Ärztlicher Direktor viel Geld verbaut“, berichtet Siewert. Manchmal gehörte auch ein bisschen Glück dazu, oder man brauchte die richtigen Kontakte, um weiter zu kommen: „Ich erfuhr, dass die Autowerkstatt in der Ismaninger Straße schließen wollte und ich konnte Staatsminister Hans Zehetmair davon überzeugen, dass der Freistaat das Gelände erwirbt.“ Heute steht auf diesem Grundstück das Neuro-Kopf-Zentrum, das im Jahr 2007 eröffnet wurde. Neurochirurgie, Neurologie und Neuroradiologie sind hier unter einem Dach angesiedelt und arbeiten interdisziplinär eng zusammen – so kann das volle Behandlungspotential bei komplexen neurologischen Erkrankungen ausgeschöpft werden. Das  Beispiel zeigt: Die fehlenden Ausdehnungsmöglichkeiten des Klinikums hatten immer auch einen positiven Effekt. Sie zwangen und zwingen die Planer, Synergieeffekte bestmöglich zu nutzen, nach innovativen Lösungen zu suchen und interdisziplinäres Arbeiten nicht nur zu fordern, sondern real im Alltag umzusetzen.

Die Zukunft

Für Siewert ist die Entwicklung hin zu mehr Interdisziplinarität nach wie vor ein Königsweg: „Der wissenschaftliche Fortschritt erfordert von den Ärzten und Forschern eine zunehmende Spezialisierung. Gleichzeitig verschwinden die Fächergrenzen. Das heißt, man muss eine Organisationsstruktur finden, die die Spezialisten zusammenhält und horizontal vernetzt.“

Back to top