COVID-19-Medikament der Zukunft: Ein Spray gegen Lungenschäden

COVID-19-Medikament der Zukunft: Ein Spray gegen Lungenschäden

Kratzt es im Hals, besorgt man sich in der Apotheke Lutschtabletten – und bei einer Corona-Infektion ein Spray: So zumindest könnte die Zukunft aussehen. Eine Zukunft, an der Prof. Stefan Engelhardt, Pharmakologe und Toxikologe von der Technischen Universität München (TUM), arbeitet. Er ist Mitbegründer des Start-Up Unternehmens rnatics, einer Ausgründung der TUM. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Dr. Thomas F. Frischmuth und Prof. Klaus F. Rabe will er einen Wirkstoff zur Zulassung führen, der Coronapatient*innen vor Lungenschäden schützt. Ein Gespräch über ein COVID-19-Medikament mit einem ganz neuen Wirkprinzip – das unabhängig ist von Virusvarianten.

 

Herr Professor Engelhardt, wie kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet ein Spray gegen Corona zu entwickeln?

Bei Lungenerkrankungen ist die Arzneimittelgabe über die Atemwege meist der bevorzugte Weg. Aus therapeutischer Sicht hat die Lunge gegenüber anderen Organen nämlich den großen Vorteil, dass man Wirkstoffe dort ganz gezielt verabreichen kann – ohne den Rest des Organismus mit einem Wirkstoff und seinen möglichen Nebenwirkungen zu belasten. Unser Ansatz richtet sich gegen Lungenschädigungen, die durch COVID-19 verursacht werden.

Welchen konkreten Nutzen erhoffen Sie sich durch das Spray?

Basierend auf unseren bisherigen Versuchen im Labor erwarten wir, dass die krankhaft übersteigerte Aktivierung von Entzündungszellen in der Lunge deutlich gebremst wird. Mittel- bis langfristig erwarten wir, dass unser Wirkstoff auch dabei hilft, die für COVID-19 so typische Vernarbung der Lunge, sogenannte Fibrosen, zu reduzieren.

Hilft das Spray bei allen Virusvarianten?

Nun, eine Besonderheit unseres Wirkstoffes ist ja, dass er sich eben nicht gegen das Virus selbst richtet, sondern gegen die Folgeschäden, die in der Lunge auftreten und von denen wir wissen, dass sie wesentlich für die dauerhafte Schädigung der Lunge bei an Long-COVID Erkrankten sind. Damit ist das Wirkprinzip weitestgehend unabhängig von aktuellen und zukünftigen Virusvarianten.

Könnten Sie dieses Wirkprinzip kurz erklären?

Es ist eine sogenannte RNA-Therapie. Allerdings wird hier keine „messenger RNA“ eingebracht, wie wir sie von den mRNA-Impfungen gegen Corona kennen, sondern ein viel kürzeres Stück einer Nukleinsäure – das sehr spezifisch und schnell von einem bestimmten Lungenzelltyp aufgenommen wird. Und zwar genau jenem Zelltyp, von dem wir wissen, dass er die Erkrankung der Lunge bei COVID-19 bedingt. In diesen Zellen hemmt diese kurze Nukleinsäure dann ein körpereigenes, sogenanntes microRNA-Molekül, von dem wir wissen, dass es die Lungenerkrankung befördert.

Ist dieses Wirkprinzip denn auch auf Infektionen mit anderen Erregern bzw. auf andere Erkrankungen übertragbar? 

Ja, das könnte gut sein. Da sich das Therapieprinzip nicht gegen das Virus selbst, sondern gegen Folgeschäden richtet, könnte unser Wirkstoff auch bei Infektionen mit anderen Viren wirksam sein. Wir untersuchen derzeit auch, ob sogar chronische Entzündungsprozesse, die nicht in direktem Zusammenhang mit einer Infektion stehen, mit unserem Wirkstoff therapiert werden können.

Das klingt alles sehr vielversprechend. Ab wann gibt es das Spray in der Apotheke?

Wie bei jedem Arzneimittel stehen wir zunächst einmal noch vor mehreren klinischen Studien. Wir sind sehr dankbar, dass uns das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hierbei mit rund 7 Millionen Euro maßgeblich unterstützt. Ein erster vielversprechender Schritt in Richtung Zulassung war kürzlich die positive Bewertung unserer präklinischen Daten durch das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM). Auch ein weltweites Patentierungsverfahren läuft bereits. Bis zur Markteinführung wird es jedoch voraussichtlich noch mehrere Jahre dauern.

 

Prof. Stefan Engelhardt, Pharmakologe und Toxikologe an der Technischen Universität München (TUM). Foto: Andreas Heddergott, TUM

Prof. Stefan Engelhardt, Pharmakologe und Toxikologe an der Technischen Universität München (TUM). Foto: Andreas Heddergott, TUM

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