Neues Leben dank Lebendspende

Neues Leben dank Lebendspende

Bei einer Transplantation ist die Niere das am häufigsten benötigte Organ. Doch seit Corona sind alle Organspenden massiv eingebrochen: um bis zu 30 Prozent. Für Menschen, die sehnlichst auf eine neue Niere warten, ist die Lebendspende oft der letzte Ausweg – um weiter leben zu können, sagen Experten des Transplantationszentrums TransplanTUM am Universitätsklinikum rechts der Isar. Daher hat man sich hier auch auf die Lebendspende spezialisiert. Ein Einblick anlässlich des Tages der Organspende am 4. Juni.

Der Ort, auf dem die Hoffnungen zahlloser Dialysepatient*innen lasten, liegt hinter einer unscheinbaren Tür im Erdgeschoss des Universitätsklinikums rechts der Isar. „Transplantationszentrum“ steht auf dem Türschild. Es ist der zentrale Anlaufpunkt für all jene, denen ein Spenderorgan zu neuer Lebensqualität, gar zu neuem Leben verhelfen soll. Keine Angst mehr vor dem Tod, keine „Blutwäsche“ stundenlang pro Woche.

Seit 1985 gibt es das „TransplanTUM“ im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM), rund 60 Organe wurden hier jährlich verpflanzt – bis Corona die Zahlen massiv einbrechen ließ. Inzwischen findet wieder fast jede Woche eine Transplantation statt, sagt Dr. Volker Aßfalg, Leiter der Transplantationschirurgie. Vor allem Nieren, teils in Kombination mit der Bauchspeicheldrüse, werden hier verpflanzt. Für Menschen, die sehnlichst auf eine neue Niere warten, kommt auch eine Lebendspende infrage. „Damit können wir sogar Patient*innen vor der Dialyse bewahren“, sagt Dr. Aßfalg. Und, das ist noch entscheidender: vielen Dialysepatient*innen das Leben retten. Denn die Wartezeiten auf eine Leichenniere in Deutschland sind sehr lang – so lang, dass Betroffenen oft der Tod droht, bevor sie ein neues Organ erhalten können.

PD Dr. Volker Aßfalg (Mitte) und sein Team entnehmen die Niere eines Lebendspenders mit einem schonenden minimalinvasiven Verfahren (laparoskopisch). Die OP-Instrumente und eine spezielle Minikamera führen sie dabei durch kleine, nur wenige Millimeter große Zugänge in die Bauchhöhle ein. Die Kamera überträgt Bilder des OP-Feldes in 4K-Qualität auf die Bildschirme im Hintergrund. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

PD Dr. Volker Aßfalg (Mitte) und sein Team entnehmen die Niere eines Lebendspenders mit einem schonenden minimalinvasiven Verfahren (laparoskopisch). Die OP-Instrumente und eine spezielle Minikamera führen sie dabei durch kleine, nur wenige Millimeter große Zugänge in die Bauchhöhle ein. Die Kamera überträgt Bilder des OP-Feldes in 4K-Qualität auf die Bildschirme im Hintergrund. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Spender*innen und Empfänger*innen bekommen viel Zeit für ihre Entscheidung

Natürlich widerspricht es zunächst dem Selbstverständnis jedes Mediziners, einem gesunden Menschen ein Organ herauszuschneiden. Deshalb sehen sich Dr. Aßfalg und der Nephrologe Prof. Lutz Renders, Leiter des Nieren- und Nieren-Pankreas-Transplantationsprogrammes, umso mehr in der Pflicht, potenziellen Spender*innen und Empfänger*innen viel Zeit zu lassen bei der Entscheidung für eine Lebendspende und sie dabei auch bestmöglich zu unterstützen – selbst wenn sie am Ende gemeinsam zu dem Ergebnis kommen, dass sie doch lieber auf eine Leichenniere warten wollen. Zumal die Chance, mit der Niere eines Verstorbenen weiterzuleben, sich auch unverhofft jenen Patient*innen eröffnen kann, die bereits fest für eine Lebendspende eingeplant sind: Denn sie bleiben parallel auf der Warteliste von Eurotransplant. „Wir sind verpflichtet, die Betroffenen anzumelden – und das ist auch richtig so“, sagt Prof. Renders. Denn: Eine Leichenniere habe stets Vorrang vor der Lebendspende, „schon allein deshalb, weil die potenziellen Spender*innen geschützt werden sollen“.

 

Vorsichtig präpariert PD Dr. Volker Aßfalg die Niere eines Lebendspenders frei. Den Blick hat er dabei auf einen Bildschirm gerichtet, der ihm den nötigen Blick auf das OP-Feld liefert. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Vorsichtig präpariert PD Dr. Volker Aßfalg die Niere eines Lebendspenders frei. Den Blick hat er dabei auf einen Bildschirm gerichtet, der ihm den nötigen Blick auf das OP-Feld liefert. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Wenn dann also tatsächlich ein geeignetes Organ gemeldet wird, muss es sehr schnell gehen: „Wir müssen Eurotransplant binnen 30 bis 60 Minuten verbindlich mitteilen, ob wir das Organ nehmen“, erklärt Prof. Renders. Unverzüglich, selbst mitten in der Nacht, muss daher geklärt werden, ob der Betroffene erreichbar und auch operationsfähig ist. Und das ist oft gar nicht so einfach, selbst wenn sich viele – in der Hoffnung auf ein Spenderorgan – nicht mehr vom Telefon wegwagten. Prof. Renders kennt aber auch andere, seltene Fälle: „Manche vergessen uns einfach. Die ziehen um, haben eine neue Telefonnummer oder sind aus sonstigen Gründen nicht erreichbar.“ Doch ganz so schnell gibt sich der Mediziner dann nicht geschlagen. Notfalls schaltet er die Polizei ein, um die Patient*innen doch noch aufzuspüren. Vor einiger Zeit gelang ihm das auf recht spektakuläre Weise. „Die Patientin hatte Kopfhörer auf und hat weder Telefon noch Türklingel gehört“, erzählt Prof. Renders. „Die Polizisten haben aber im ersten Stock Licht gesehen. Sie sind daher mit der Leiter hochgestiegen – und haben einfach ans Fenster geklopft.“ Die Transplantation konnte am Ende stattfinden, der Patientin geht es heute gut. Es sind nicht zuletzt auch solche Fälle, die Prof. Renders und seinem Kollegen Dr. Aßfalg alle Strapazen ihres Berufs vergessen lassen – schließlich stehen sie bei jeder OP vor besonderen Aufgaben, denn Menschen sind nicht exakt gleich, und die wenigsten Nieren perfekt auf den oder die Empfänger*in abgestimmt. Individuelle Anpassungen seien hier stets nötig, damit die Transplantation überhaupt gelingt.

 

Konzentriert vernäht das OP-Team nach der Organentnahme die Operationswunde. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Konzentriert vernäht das OP-Team nach der Organentnahme die Operationswunde. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Ein individuelles Behandlungskonzept für jede und jeden

Allein mit einer erfolgreichen OP ist es allerdings noch nicht getan. Vor- und Nachsorge sowie psychologische Betreuung gehören ebenso zum Gesamtpaket des Transplantationszentrums wie die – meist lebenslange – Versorgung der Organempfänger*innen mit Medikamenten: den sogenannten Immunsuppressiva, die verhindern, dass das fremde Organ abgestoßen wird. Ein interdisziplinäres, also fachübergreifendes Team formt für jede Patientin und jeden Patienten ein individuelles Behandlungskonzept.
Hunderte Patient*innen haben im TransplanTUM bereits ein neues Organ erhalten – ein Organ, das letztlich ihr Leben gerettet hat. „Es gibt viele Patient*innen, denen es danach so gut geht, dass sie gar nicht mehr zur Nachsorge kommen wollen“, erzählt Prof. Renders. Da hake er sogar aktiv nach. „Wir nehmen unsere Sache sehr ernst“, sagt auch Dr. Aßfalg. „Und passen gut auf unsere Patient*innen auf.“

 

TV-Tipp

Reporterin Veronika Keller vom Bayerischen Fernsehen hat Paare begleitet, die sich für eine Lebendnierenspende entschieden haben. Im Klinikum rechts der Isar durfte Sie kürzlich bei einer Lebendspende und der anschließenden Transplantation der Niere dabei sein. Den Beitrag finden Sie hier.

PD Dr. Volker Aßfalg setzt einem Patienten die Niere eines Lebendspenders ein.  Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

PD Dr. Volker Aßfalg setzt einem Patienten die Niere eines Lebendspenders ein. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 

Interdisziplinäres

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