Studie: Covid-Testungen in der Staatsoper

Studie: Covid-Testungen in der Staatsoper

Ein interdisziplinäres Team des Klinikums rechts der Isar der TUM begleitet die Bayerische Staatsoper in München mit einer Studie zu den Corona-Schutzmaßnahmen durch die Spielzeit 2020/21.

Die aktuelle Entwicklung der Corona-Pandemie ist gerade dabei, sämtliche Programmplanungen öffentlicher Spielstätten zu durchkreuzen. Die ist umso bedauerlicher, da etwa die Bayerische Staatsoper München sich mit einem umfänglichen, aber wohldurchdachten Spielplan in die neue Saison gewagt hat. Obendrein wurde die Zuschauerzahl im Rahmen eines Pilotprojekts von den allgemeinzulässigen 200 auf 500 Personen erhöht – was angesichts der Phase Dunkelrot der bayerischen Corona-Ampel momentan allerdings nicht umgesetzt werden darf. Ein interdisziplinäres Wissenschaftsteam des Klinikums rechts der Isar (MRI) begleitet das Projekt im Rahmen einer Studie („Prävalenz von SARS-CoV-2 bei künstlerischen Mitarbeitern in der Bayerischen Staatsoper“, kurz: OPSAS), die sich über die gesamte Spielzeit erstreckt. „Ziel unserer Studie ist es, die Wirksamkeit der an der Staatsoper eingeführten Infektionsschutzmaßnahmen zu überprüfen. Durch regelmäßige Testungen sowie ein an die Infektionsdynamik angepasstes Hygienekonzept möchten wir das Infektionsrisiko minimieren bzw. Infektionsketten frühzeitig unterbrechen“, erklärt Prof. Barbara Wollenberg, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. „Wir unterstützen die Bayerische Staatsoper beratend vor Ort, um damit auch ein Bewusstsein für das Infektionsrisiko schaffen.“ Beide Institutionen sind sich seit Jahren über die „Musikerambulanz“ (Leitung: Prof. Bernhard Haslinger, Ltd. Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie) verbunden, die auf die besonderen Erkrankungen von Musikern und Sängern spezialisiert ist. Das Klinikum ist aktuell das einzige Krankenhaus, das ein Corona-Hygienekonzept an einem Opernhaus wissenschaftlich begleitet.

Pro Tag etwa 35 Abstriche - die Teststrategie

Im Fokus der OPSAS-Studie steht das Bühnenensemble, die sogenannte rote Schutzgruppe, die unter Pandemiegesichtspunkten eines eint: Sie kann Schutzmaßnahmen wie das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und den Mindestabstand von 1,5 Metern nicht durchgängig einhalten. Sänger und Musiker von Blasinstrumenten setzen sich obendrein wegen der Aerosolbildung gegenseitig einer erhöhten Gefährdung aus. Sie alle werden regelmäßig getestet, nach einem ebenso engmaschigen wie effizienten System: In täglichen Stichproben, rollierend werden aus jedem Ensemblekollektiv und jeder Produktion Mitarbeiter abgestrichen, in zwei- bis vierwöchigem Abstand, abhängig von der Tätigkeit und Spielfrequenz.
In der kleinen Teststation im Freunde-Foyer der Oper – von der IT des Klinikums mit Hard- und Software ausgestattet – werden standardmäßig Proben aus Mund und Nase durch medizinisch geschultes Personal entnommen und im Labor im PCR-Verfahren untersucht. „Auf diese Weise erzielen wir die höchste Sensitivität“, erklärt Dr. Simone Graf, HNO-Ärztin, Leiterin der Phoniatrie und Logopädie, die mit dem Team der HNO-Klinik die Abstriche vor Ort organisiert und durchführt. Pro Tag werden rund 35 Personen aus dem festen Ensemble und der Gruppe der Gäste abgestrichen. Weil die Proben noch am selben Tag vom Team der Virologie um Prof. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie, ausgewertet werden, bleibt das Corona-Geschehen ständig im Blick, die Verbreitung des Virus kann sofort gestoppt werden. Die an die Staatsoper kommenden Gäste dürfen zudem ihre Arbeit erst aufnehmen, wenn sie einen negativen Anfangstest vorweisen können.

 

Dr. Olivia Jeleff-Woelfler aus der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde bei der Abstrichentnahme im Freunde-Foyer der Bayerischen Staatsoper

 

Nicht nur eine Frage des Abstands – dynamisch angepasste Hygienekonzepte

Das von der Staatsoper ausgearbeitete Hygienekonzept haben Dr. Friedemann Gebhardt, Leiter der Abteilung für Krankenhaushygiene am Klinikum, und PD Dr. Christoph Spinner, Infektiologe am Klinikum, gemeinsam mit Prof. Christiane Höller, Sachgebietsleiterin für Hygiene am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, in beratender Funktion kritisch geprüft und ergänzt. Neben der Abstandsthematik, die bei den Musikern etwa durch Umgestaltung des Orchestergrabens und Änderung der Bestuhlung gelöst wurde, gab es je nach Berufsgruppe zahlreiche spezielle Einzelfragen – vom richtigen Tragen des Mund-Nasen-Schutzes bis hin zur Reinigung von Haarnadeln. „Besonders intensiv haben wir die Maskenbildner beraten. Die hatten viele konkrete Rückfragen: Welche Desinfektionsmaßnahmen bei Schminkutensilien wichtig sind oder was beim Schminken von Mund und Augen zu beachten ist, wo man mit infektiösem Sekret in Kontakte kommen kann. Hier haben wir pragmatische Lösungen gefunden“, so Gebhardt. Er steht mit seinem Team auch weiterhin beratend zur Verfügung.

 

Positive Zwischenbilanz

Nachdem die ersten Wochen der Spielzeit ohne eine Positivtestung verliefen, wurde im Oktober im Rahmen der regelmäßigen Testungen eine Person des Bayerischen Staatsballetts positiv auf das Virus getestet. Die nachfolgende Verdachtstestung ergab weitere Infizierte. Trotzdem ist das Fazit positiv: „Die aufgetretenen Corona-Fälle haben die Wirksamkeit unserer Teststrategie nur bestätigt“, so Graf. „Wir konnten die erste infizierte Person, einen asymptomatischen Infizierten, schnell ermitteln und über die Testung der Kontaktpersonen im Ensemble weitere Infizierte systematisch ausfindig machen, um so eine Weiterverbreitung des Virus zu unterbinden.“ Weil die im künstlerischen Bereich tätigen Beschäftigten Kontakttagebücher führen, können Kontaktpersonen schnell ausfindig gemacht werden.
An der Bayerischen Staatsoper ist man froh über die wissenschaftliche Unterstützung. „Wir sind wirklich dankbar, dass wir das Klinikum an unserer Seite haben. Denn wir wollen natürlich spielen, doch wir wollen sicher spielen und unsere Mitarbeiter und das Publikum schützen“, sagt Dr. Matthias Schloderer, Leiter Marketing und Besucherkommunikation der Bayerischen Staatsoper und verantwortlich für das Hygienekonzept. Der bisherige Verlauf der Spielzeit habe gezeigt, dass man das Virus mit dem angewendeten Maßnahmenpaket im Griff habe.
Die Ergebnisse der OPSAS-Studie werden nach Beendigung der Spielzeit veröffentlicht. Aber nicht nur am Klinikum, auch an der Oper hofft man, dass die Erfahrungen aus Teststrategie und Pilotprojekt schon vorher anderen Spielstätten eine Orientierung bieten können. „Wir betreiben diesen Aufwand nicht für uns allein“, so Schloderer. „Wir machen das, damit auch andere Spielstätten von den Erfahrungen profitieren und wieder mehr Publikum zugelassen werden kann; so gibt es hoffentlich auch für freischaffende Künstler und private Veranstalter bald wieder eine Perspektive.“

 

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