Tiefe Hirnstimulation zur Alzheimer-Behandlung

Tiefe Hirnstimulation zur Alzheimer-Behandlung

Universitätskliniken in München mit europaweit erstem Eingriff zur Untersuchung der Wirksamkeit der Tiefen Hirnstimulation der Fornix zur Alzheimer-Behandlung

Prof. Dr. Timo Grimmer

Das Zentrum für Kognitive Störungen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar hat den europaweit ersten Patienten in eine neue Studie eingeschlossen, die die Sicherheit und Wirksamkeit der Tiefen Hirnstimulation (THS) bei Patienten mit leichtgradiger Demenz bei Alzheimer-Krankheit untersucht. Der Patient wurde an der Neurochirurgischen Klinik des LMU Klinikums München mit zwei direktionalen THS Elektroden sowie einem Neurostimulator implantiert.
In der Studie „ADvance II“ wird die Effektivität der elektrischen Stimulation des Fornix (THS-f) – einer wichtigen Nervenbahn im Gedächtnisschaltkreis des Gehirns – bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit untersucht. Die bisherige wissenschaftliche Forschung deutet darauf hin, dass dieser bereits in der Anfangsphase der Alzheimer-Krankheit betroffen sein könnte.

Studie untersucht Wirkung von THS bei leichtgradiger Demenz

Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung und die weitaus häufigste Ursache einer Demenz, und führt zu einer unaufhaltsam zunehmenden Beeinträchtigung des Gedächtnisses und weiterer geistiger Fähigkeiten. Heute leiden schätzungsweise 1,7 Millionen Deutsche an Demenz, wobei sich die entstehenden Kosten für die Gesellschaft allein im Jahr 2016 auf über 73 Milliarden Euro beliefen1). Die Alzheimer-Demenz stellt im Alter eine der häufigsten Todesursachen dar2,3). Bisher konnte kein Weg gefunden werden, diese Krankheit zu verhindern, zu heilen oder zumindest zu verlangsamen. Die neue Studie soll nun aufzeigen, ob die THS zu einer Besserung bei Patienten mit leichtgradiger Demenz bei Alzheimer-Krankheit führen kann.

Für die THS werden zunächst in einem neurochirurgischen Eingriff Elektroden in das Gehirn implantiert, welche dann über Kabel mit einem Schrittmacher verbunden werden – ähnlich einem Herzschrittmacher. Mit diesem medizinischen Gerät werden nach der Operation kontinuierlich leichte elektrische Impulse an genau definierte Bereiche des Gehirns abgegeben. Die Therapie ist in der Europäischen Union, USA, und Kanada bereits zur Behandlung der Parkinson-Krankheit, Dystonie sowie essentiellem Tremor zugelassen.

Vielversprechender Ansatz bei neurologischen Erkrankungen

„Die Alzheimer-Krankheit als häufigste Ursache einer dementiellen Entwicklung wird aufgrund des demografischen Wandels weiter an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnen. Es besteht dringender Bedarf an besseren Behandlungsmöglichkeiten. In einer Vorstudie konnte durch die Tiefe Hirnstimulation des Fornix die Aktivität des neuronalen Netzwerks für Gedächtnis gesteigert und auch die neuronale Aktivität damit verbundener anderer Hirnregionen erhöht werden. Mit den Ergebnissen der ADvance II-Studie wollen wir Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sich dieses Verfahren auf die klinischen Beschwerden von Patienten auswirkt und wie gut die Betroffenen die dafür erforderliche Hirnoperation verkraften. Gegenwärtig ist es noch zu früh, einen möglichen Nutzen für Patienten zu beurteilen“, so Professor Timo Grimmer vom Zentrum für Kognitive Störungen, Klinikum rechts der Isar.

"Die Tiefe Hirnstimulation ist ein vielversprechender Therapieansatz und wird seit über zwei Jahrzehnten bei anderen neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Essentieller Tremor, Dystonie und seit kürzerem auch Epilepsie sehr erfolgreich eingesetzt. Wir freuen uns, dass wir mit diesem neurochirurgischen Verfahren in enger Zusammenarbeit mit Demenzspezialisten nun einen Beitrag zur Alzheimerforschung leisten können", erläutert Priv.-Doz. Dr. Jan-Hinnerk Mehrkens, Leiter des Bereichs Funktionelle Neurochirurgie der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik am LMU Klinikum.

1) Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2019 Aug; 62(8):981-992.

2) Heron, M. Deaths: Leading causes for 2014. National vital statistics reports 2016; 65(5).

3) Alzheimer’s Association 2016 Alzheimer’s disease facts and figures. Alzheimer’s Dement 2016; 12(4):459-509.

Über die ADvance II-Studie

Bei der ADvance II-Studie handelt es sich um eine randomisierte, kontrollierte und doppelblinde Studie, die bis zu 210 Probanden umfassen soll. In die Studie eingeschlossen werden Patienten, die an einer leichtgradigen Alzheimer-Demenz leiden, und über 65 Jahre alt sind. Die Studie wird vom Forschungsunternehmen Functional Neuromodulation in Deutschland, den USA und Kanada durchgeführt. Die Studie wird von Professor Jürgen Voges, Universitätsklinik Stereotaktische Neurochirurgie, Universität Magdeburg, Professor Constantine Lyketsos, Lehrstuhl für Psychiatrie am Johns Hopkins Bayview Medical Center, Baltimore, Maryland, USA und Professor Andres Lozano, Neurochirurgische Klinik an der University of Toronto, Ontario, Kanada, geleitet.

 

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