Typ-1-Diabetes wirkungsvoll begegnen

Typ-1-Diabetes wirkungsvoll begegnen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben in der Fr1da-Studie den weltweit ersten Früherkennungstest für Typ-1-Diabetes in der Allgemeinbevölkerung eingesetzt. Jetzt haben sie die Ergebnisse präsentiert. Von den positiven Auswirkungen dieser Früherkennung berichtet auch die Kinderdiabetologie der Technischen Universität München / Klinikum rechts der Isar, die die Studie unterstützt hat.

© Helmholtz Zentrum München

Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Weil diese lange symptomfrei verläuft, wird sie oft erst entdeckt, wenn ein Kind mit einer lebensgefährlichen Stoffwechselentgleisung, der sogenannten Ketoazidose, als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wird.

Dabei ist es mit einem einfachen Bluttest möglich, die Erkrankung Jahre vor dem Auftreten erster Symptome zu diagnostizieren. Ein Zeichen dafür, dass sich ein ein insulinpflichtiger Typ-1-Diabetes anbahnt, ist, dass mindestens zwei Insel-Autoantikörpern im Blut vorhanden sind. Dann nämlich entwickelt das körpereigene Immunsystem Autoimmunität gegen die insulinproduzierenden Zellen.

Im Rahmen der sogenannten Fr1da-Studie testete ein Team um Prof. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München, von 2015 bis 2019 insgesamt 90.632 bayerische Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren auf die verräterischen Antikörper. Insgesamt 682 Kinderarztpraxen in ganz Bayern trugen zur Umsetzung des Screenings bei, indem sie den Fr1da-Bluttest als für Familien freiwillige Zusatzleistung in ihre routinemäßigen Früherkennungsuntersuchungen aufnahmen. „Wir arbeiten an einer Welt ohne Typ-1-Diabetes“, sagt Ziegler. „Damit wir Typ-1-Diabetes früh behandeln können, müssen wir die Krankheit so früh wie möglich erkennen. Dazu brauchen wir eine entsprechende Diagnostik in Kindesalter.“

Schwere Stoffwechselentgleisungen verhindern

Die Kinderdiabetologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin München Schwabing - eine gemeinsame Einrichtung der München Klinik und des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München - hat das Projekt als eines von 16 Schulungszentren von Anfang an unterstützt. Oberärztin PD Dr. Katharina Warncke war an der Entwicklung des Schulungsprogramms mit beteiligt. Die von ihr geleitete klinische Abteilung hat ca. 300 Patienten mit Diabetes in Dauerbehandlung und sieht jährlich bis zu 70 Neuerkrankungen. „Mittlerweise betreuen wir circa 10 Kinder aus der Studie, die Diabetes entwickelt haben. Sie kommen zu uns auf Station, werden dort eingestellt und geschult und anschließend in der TU-Ambulanz weiterbetreut, bis sie 18 Jahre alt sind”, erzählt sie.

Welchen Nutzen Früherkennung und eine frühe Therapie bringen, belegen die Studienergebnisse sehr klar: Während deutschlandweit etwa jedes dritte Kind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung wegen einer Ketoazidose behandelt werden muss, kam es dazu bei den getesteten Kindern nur in zwei Fällen.

 

Video: Was passiert bei Diabetes?

 

Start in ein Leben mit Diabetes erleichtern

Und nicht nur die Schwere des Krankheitsverlaufs wird abgemildert. Früherkennung verschafft den betroffenen Kindern und ihren Angehörigen wertvolle Zeit, sich auf die Krankheit einzustellen. Die im Rahmen der Fr1da-Studie sehr früh diagnostizierten Kinder sind häufig sehr gut behandelbar und die Familien weniger belastet, da sich das Umfeld schon in Ruhe vorbereiten konnte. Dagegen trifft die meisten Familien, die an keiner Früherkennungsuntersuchung teilgenommen haben, die Diagnose oft wie ein Hammerschlag. Diabetologin Warncke hat das vielfach erlebt. Deshalb weiß sie gut, dass es am hilfreichsten ist, wenn Eltern pragmatisch reagieren und ihrem Kind vermitteln, dass sein Leben auch mit Diabetes glücklich und erfüllt sein kann. „Diabetes ist heute kein Unglück mehr“, sagt Warncke. „Man lebt eben etwas weniger spontan, weil man sich Insulin spritzen und auf einige Dinge achten muss.“ Wer sich damit arrangiere, der fahre am besten. „Ein Patient hat sich mal als Erwachsener wieder bei mir gemeldet, als er gerade ein halbes Jahr in Neuseeland auf Reisen war. Er war sportlich, hat unternommen, was er wollte. Für ihn gehörte sein Diabetes zu den täglichen Routinen wie das Zähneputzen.“

Mit einem vielfältigen Unterstützungsangebot will das Diabeteszentrum das Seine beitragen, dass der Start in ein Leben mit Typ-1-Diabetes gut gelingt. „Neben der Schulung in der Insulintherapie erhalten Betroffene bei uns psychologische Hilfe genauso wie ganz praktische Tipps – wie man sich beim Sport verhält, was man kochen kann, welches Pausenbrot sinnvoll ist“, sagt Warncke.

Noch kann die Medizin den Typ-1-Diabetes nicht heilen. Doch ermutigt von den Ergebnissen der Studie wollen die Forschenden am Helmholtz Zentrum nun eine Kosten-Nutzen-Analyse des Screenings durchführen. Dies könnte zumindest die Aufnahme des Screenings für präsymptomatischen Typ-1-Diabetes in die Regelvorsorge und den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen unterstützen.

Back to top