Weniger, gezielter, besser: Einsatz von Antibiotika am Klinikum

Weniger, gezielter, besser: Einsatz von Antibiotika am Klinikum

Am 18.11. ist Europäischer Antibiotikatag. Er soll mehr Bewusstsein schaffen für den rationalen Einsatz von Antibiotika. Internationale Studien zeigen, dass ca. 50 Prozent aller Antibiotikatherapien inadäquat sind, vor allem aufgrund zu langer Therapiedauer, falscher Dosierung oder Wahl des falschen Antibiotikums. „Angesichts der sich verschärfenden Problematik von Antibiotikaresistenzen ist jede inadäquate Therapie eine zu viel“, sagt Christiane Querbach, Leiterin des Bereichs klinische Pharmazie der Stabsstelle Antibiotic Stewardship (ABS) am Klinikum rechts der Isar.

Das ABS-Team am Klinikum rechts der Isar: Dr. Helmut Renz, Prof. Dirk Busch, Christiane Querbach, Dr. Friedemann Gebhardt, Dr. Kathrin Rothe, Dr. Susanne Feihl (v. li.)

Das Antibiotic-Stewardship-Team am Klinikum rechts der Isar: Dr. Helmut Renz, Prof. Dirk Busch, Christiane Querbach, Dr. Friedemann Gebhardt, Dr. Kathrin Rothe, Dr. Susanne Feihl (v. li., das Foto ist vor der Corona-Pandemie aufgenommen worden)

Große Nachfrage nach Antibiotika-Führerschein

2020 geht die Fortbildungsreihe Antibiotika-Führerschein bereits in die zweite Runde. 24 Vorträge an 12 Abenden über einen Zeitraum von zwei Jahren stehen den Teilnehmer*innen bevor. Eigentlich als Präsenzveranstaltung geplant, findet der Antibiotika-Führerschein Corona-bedingt nun als Online-Veranstaltung statt, so dass er nicht nur Mitarbeitenden des Klinikums rechts der Isar vorbehalten ist. Das Interesse ist groß. „Bei unseren Zoom-Fortbildungen im September und November haben wir bereits über 170 Teilnehmer*innen verzeichnet“, so Querbach. Wer von zwölf Fortbildungsabenden mindestens sieben absolviert, erhält ein Zertifikat. Zudem ist der Antibiotika-Führerschein bei der Bayerischen Landesärztekammer und der Akademie für Infektionsmedizin zertifiziert.

Die Fortbildungsreihe richtet sich v.a. an Mediziner*innen und Apotheker*innen im Krankenhaus – entsprechend liegt der Fokus auf Erkrankungen, die in einer Klinik behandelt werden, wie Infektionen des zentralen Nervensystems, orthopädische Infektionen oder Sepsis (Blutvergiftung). Aber auch niedergelassene Ärzt*innen, PJ-Studierende, pharmazeutisch-technische Assistent*innen und Pflegekräfte fühlen sich angesprochen. „Gerade die Pflegekräfte sind sehr interessiert. Nicht selten sind sie es, die einen Arzt auf die Therapiedauer mit einem Antibiotikum aufmerksam machen“, sagt Christiane Querbach.

Das Feedback der Teilnehmenden nach dem ersten Vortragsabend war sehr positiv:

  • „Die beiden Vorlesungen waren aus meiner Sicht exzellent, sowohl im Aufbau, der Gliederung, der Inhalte und der Praxisrelevanz. Ich habe ganz persönlich für meine Arbeit wertvolle Informationen und Anregungen mitgenommen.“
  • „Eine ganz großartige Fortbildung, ich bin schon sehr gespannt auf die weiteren Vorträge! Danke!“
  • „Eine wunderbare Initiative vom Klinikum rechts der Isar!“

Antibiotikaresistenzen – Problem für die globale Gesundheit

Antibiotika sind wirksam bei Infektionen, die von Bakterien verursacht werden. Gegen Viren haben sie keine Wirkung. Jeder Einsatz von Antibiotika geht mit der Bildung von Resistenzen einher, das ist nicht zu verhindern. Empfindliche Bakterien werden abgetötet – die resistenten überleben und vermehren sich weiter. Infektionen mit multiresistenten Erregern lassen sich oft schwieriger behandeln und können gerade für Menschen mit geschwächtem Immunsystem gefährlich werden. Antibiotika­resistenzen nehmen weltweit zu und gehören zu den größten Heraus­forderungen für die globale Gesundheit.

Maßvoller Einsatz von Antibiotika

Es gehe nicht darum, generell an Antibiotika zu sparen. Aber darum, sie regelgerecht einzusetzen, um die Entstehung von Resistenzen zu verlangsamen. „Häufig sieht man in der Praxis, dass die Therapiedauer zu lang ist, dass die Dosis nicht optimal an Gewicht, Nieren- und Leberwerte angepasst ist und dass die Substanzauswahl nicht ideal ist“, erklärt Querbach. Das Antibiotic Stewardship-Team (ABS) erfasst in einem jährlichen Antibiotika-Verbrauchsbericht für das Klinikum rechts der Isar transparent für alle Mitarbeiter*innen, wie sich der Antibiotikaverbrauch im Haus entwickelt hat. Der Verbrauchsbericht ist seit Jahren stabil mit leicht sinkender Tendenz bei bestimmten Präparaten. Eine gute Entwicklung für ein Krankenhaus der Maximalversorgung, in dem überdurchschnittlich viele Infektionskrankheiten behandelt und über 40.000 Operationen im Jahr durchgeführt werden. „Für einzelne Wirkstoffe konnten wir deutliche Erfolge erzielen und so Einfluss auf die Resistenzentwicklung nehmen“, sagt Christiane Querbach. „Unsere Abteilung Krankenhaushygiene erfasst die Entwicklung von resistenten Erregern sehr genau.“ Auf Basis der jährlichen Resistenzstatistik werden dann die Antibiotika-Leitlinien speziell für das Klinikum rechts der Isar erstellt – denn die Resistenzsituation ist von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich.

Stabsstelle Antibiotic Stewardship (ABS)

Unter Antibiotic Stewardship (ABS) versteht man ein Programm zum rationalen Gebrauch von Antiinfektiva (Medikamente gegen Infektionskrankheiten). Am Klinikum rechts der Isar gibt es eine ABS-Stabsstelle. Ein interdisziplinäres Team entwickelt Strategien und Leitlinien zum maßvollen und gezielten Gebrauch von Antibiotika, um der zunehmenden Herausforderung durch resistente Bakterien zu begegnen. Dies sichert die Qualität der Antiinfektivabehandlung bezüglich Substanzwahl, Dosierung, Verabreichung und Therapiedauer. Zur Arbeit des ABS-Teams des Klinikums rechts der Isar gehört z.B. das Erstellen eines jährlichen Antibiotika-Verbrauchsberichts, eines Antiinfektiva-Leitfadens mit allen interdisziplinär erarbeiteten Leitlinien speziell für das Klinikum, interne Schulungen und Visiten sowie Broschüren im Kitteltaschenformat mit den wichtigsten Infos zu den häufigsten Antibiotika und Infektionskrankheiten im Krankenhaus.

Leporello: Antibiotika-Leitfaden für die Kitteltasche

Der Antibiotika-Führerschein ist nicht die einzige Erfolgsgeschichte des ABS-Teams. Ungebremst hoch ist die Nachfrage nach dem „Leporello“, einem Antibiotika-Leitfaden im Kitteltaschenformat für die 50 häufigsten Antibiotika bei erwachsenen Patient*innen. Alle Ärzt*innen des Klinikums rechts der Isar wurden damit ausgestattet. „Außerdem haben wir knapp 9.000 Stück, davon 5.000 Stück kostenlos, an insgesamt 280 Krankenhausapotheken – das sind 75 Prozent aller deutschen Krankenhausapotheken –, 94 Kliniken und zehn Organisationen wie Landrats- und Gesundheitsämter abgegeben“, sagt ABS-Leiterin Querbach.

Das Kitteltaschenformat gibt – komprimiert und aktuell recherchiert – u.a. Auskunft über

  • Standarddosierung
  • Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion und  Leberfunktion
  • Dosierung bei Übergewicht
  • Einsatz in Schwangerschaft und Stillzeit      

Leporello-Bestellungen, gestaffelt nach Abnahmemenge (Druckkosten auf wasser- und reißfestem Material inklusive Bearbeitung und Versand), sind selbstverständlich weiterhin möglich. Bestellungen richten Sie bitte per E-Mail an: christiane.querbachatmri.tum.de

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