Wenn der Körper für die Seele spricht

Wenn der Körper für die Seele spricht

Aus dem Takt geraten – wenn das Zusammenspiel von Körper und Seele nicht mehr stimmt, beginnt für Betroffene oft ein zermürbender Leidensweg. In der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München kümmert sich ein interdisziplinäres Team darum, das verlorene Gleichgewicht wiederherzustellen. Oberarzt  Dr. Casper Roenneberg erklärt die Therapieansätze.

Dr. Casper Roenneberg, Oberarzt an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar

Dr. Casper Roenneberg, Oberarzt an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar

Beschwerden ohne klare organische Ursachen

Herr Dr. Roenneberg, mit welchen Leiden kommen die Menschen zu Ihnen?

Wir versorgen alle psychosomatischen Leiden. Viele Patienten klagen über Beschwerden, für die es keine klare organische Ursache gibt. Andere Patienten wiederum haben eine organische Erkrankung, Krebs etwa, und entwickeln daraus Beschwerden, die Ausdruck einer psychischen Belastung sind. Die Symptomatik, mit der wir uns beschäftigen, ist vielfältig. Dazu gehören etwa: Schmerzen, Ängste, Schwindel, Müdigkeit, Antriebsschwäche.

Das klingt stark nach Depression …

Wir hüten uns davor, Patienten in eine Schublade zu stecken. Die meisten psychosomatischen Störungen haben sehr komplexe Ursachen. Neben den Kriterien für spezifische Diagnosen ist es wichtig, erst einmal gemeinsam ein Erklärungsmodell und einen Namen für das jeweilige Bild der Beschwerden zu finden.

Interdisziplinäres Team einer Uniklinik

Wie gehen Sie den Ursachen auf die Spur?

Viele Betroffene sind in einem Teufelskreis gefangen. Sie laufen von einem Arzt zum nächsten, erhalten oftmals viel Diagnostik, doch keine klare Hilfestellung. Die dicken Krankenakten, die sie manchmal mitbringen, sprechen für ihre Verzweiflung. In intensiven Erstgesprächen lassen wir uns ausführlich die Beschwerden berichten, sichten gemeinsam die Befunde und versuchen mit dem Patienten erreichbare Ziele für die Behandlung zu vereinbaren. Fehlt uns eine wichtige Untersuchung, führen wir sie durch. Als Uniklinik haben wird die Möglichkeit, jeden Spezialisten, den wir brauchen, heranzuziehen.

Psychosomatische Medizin: Tag der offenen Tür am 15.11.2019

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, einen Blick hinter die Kulissenzu werfen. Jede psychosomatische Klinik arbeitet ja ein bisschen anders. Deshalb wollen wir zeigen, wie wir hier arbeiten, wie unsere Räumlichkeiten aussehen und welches Spektrum an Therapieformen wir anbieten. Unsere Einzel- und Spezialtherapeuten stehen für Fragen bereit und erläutern gerne, was zum Beispiel in der Kunsttherapie passiert oder was die Feldenkrais-Methode ist. Wer möchte, kann an einem Workshop oder Schnupperkurs mitmachen. Wir freuen uns auf jeden, der kommt!

Wann: 15.11.2019, 14:00 - 18:00 Uhr
Wo: Klinikum rechts der Isar, Ismaninger Str. 22, 81675 München, Hörsaal D und Station N1a der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Regelmäßige Stationsführung: Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar bietet jeden Mittwoch von 14.45 bis 15 Uhr eine Stationsführung an. Anmeldung bei Elke Anthofer im Stationssekretariat: Tel.: 089/4140-4413.

Multimodales Behandlungskonzept

Wie sieht die Behandlung aus?

Wir verfolgen ein multimodales, interdisziplinäres Konzept. Und wir haben einen psychotherapeutischen Schwerpunkt. Unser Team besteht aus sehr unterschiedlichen Berufsgruppen, jede bringt ihre eigene Sicht- und Arbeitsweise mit. Das ergänzt sich perfekt. Es stehen uns viele therapeutische Werkzeuge zur Verfügung, die wir individuell auf den Patienten anpassen.

Was passiert in der Therapie?

Jeder Patient wird einer Gruppe zugeteilt und bekommt einen Therapieplan. Den roten Faden bilden die verschiedenen Gruppentherapien. Neben den psychologischen Gruppentherapien wird eine Vielzahl an weiteren kreativ und körpertherapeutischen sowie pflegerischen Gruppen zu unterschiedlichen Schwerpunkten angeboten. Auch die Kunsttherapie hat einen großen Stellenwert bei uns. Alle Sinne sollen angesprochen werden. Vielleicht hilft es dem Patienten aber auch, an einer Kompetenzgruppe teilzunehmen, wo er seine Kommunikationsstrategie verbessern lernt. Er kann aber auch bei der Gartentherapie mitmachen oder sich der Kochgruppe anschließen. Neben den Gruppentherapien erhält der Patient Einzeltherapien. Wichtig ist hier auch die Sozialtherapie, also die Beratung zu Themen wie Beruf und Familie. Im Rahmen der regelmäßigen ärztlichen Gespräche wird der Patienten z. B. auch bezüglich Medikamenten beraten, wenn das sinnvoll ist.

Die Auswahl klingt beeindruckend. Gibt es darunter Angebote, die wenig Anklang finden?

Die Kunsttherapie oder manche körperlichen Ausdrucksformen liegen vielleicht nicht jedem. Doch wer sich nach anfänglichem Zögern drauf einlässt, entdeckt meist, dass es ihn doch weiterbringt. Das ist eines der Ziele dahinter. Die Patienten sollen neue, überraschende Erfahrungen machen: Den Körper spielerisch erleben, auch mal kindliche Anteile ausleben und wieder Zugang zu Gefühlen bekommen, die lange schlummerten.

Konkrete und erreichbare Therapieziele

Eine Therapie dauert zwischen vier und acht Wochen. Ist in dieser Zeit eine Heilung möglich?

Bei chronischen Erkrankungen, und darunter leiden die meisten Patienten, ist Heilung etwas hoch gegriffen. Uns geht es um Verbesserung der Lebensqualität: Linderung der Beschwerden, mehr Lebensfreude. Dazu vereinbaren wir konkrete und erreichbare Therapieziele, zum Beispiel: nicht mehr aufbrausend sein, nein sagen können, sich abgrenzen können.

Wie geht es für Patienten nach der Therapie weiter. Gibt eine Nachsorge?

Wir ermutigen und unterstützenunsere Patienten noch während ihres Aufenthalts, Kontakte zu ambulanten Therapiemöglichkeiten zu knüpfen. Was bei uns erarbeitet wurde, soll erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden. Wir überlegen gemeinsam mit ihnen, was dazu nötig ist. Und wir bieten ein Nachgespräch an, um zu erfahren, wie es ihnen ergeht.

Fühlen Sie sich mehr als Mediziner oder als Psychologe?

Ich fühle mich am ehesten als Arzt. Als jemand, der sich neugierig dem Menschen nähert, mit allem, was er als Person an Erfahrungen und Sichtweisen, Gedanken und Gefühlen mitbringt. Das ist mein Ansatzpunkt, ihn zu verstehen: Vom Symptom taste ich mich vor zum Menschen dahinter.

 

Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 
Back to top