Vorreiterrolle in der Erforschung von Nervenschmerzen – deutsches Netzwerk setzt neue Standards

Vorreiterrolle in der Erforschung von Nervenschmerzen – deutsches Netzwerk setzt neue Standards

Der Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) konnte sich eine
weitere dreijährige Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) sichern. Mit dieser Anschlussförderung festigt das
deutschlandweite Netzwerk seine Vorreiterrolle in der Erforschung neuropathischer
Schmerzen. Ziel ist die Etablierung einer dauerhaften nationalen Institution zur
besseren Versorgung von Patienten, die an Nervenschmerzen leiden. Mit
Kooperationen auf europäischer und internationaler Ebene strebt der DFNS zudem
eine weltweite Vernetzung an – und setzt mit Publikationen, die zu den meistzitierten
Arbeiten gehören, auch international hohe Standards.

Der heute weltweit anerkannte Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz
(DFNS) wurde im Jahr 2002 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im
Rahmen der Fördermaßnahme "Forschungsverbünde für Schmerzforschung" gegründet.
Seitdem forscht der Verbund in den Bereichen Pathophysiologie, Prävention und Therapie
neuropathischer Schmerzen mit dem Ziel, die medizinische Versorgung von Patienten mit
Nervenschmerzen grundlegend zu verbessern.

Weiterförderung bestätigt Vorreiterrolle
Das BMBF unterstützt das Netzwerk nun mit einer weiteren dreijährigen Förderung bis 2012.
Die Sprecher des DFNS, Prof. Thomas Tölle, Leiter der Geschäftstelle an der Neurologie der
TU München und Prof. Baron, Neurologie Universität Kiel, stellen für alle Verbundteilnehmer
mit Freude fest: „Die Weiterförderung stellt eine einmalige Auszeichnung dar, denn
Forschungsverbünde dieser Art werden normalerweise maximal sechs Jahre gefördert.
Aufgrund unserer erzielten Forschungsaktivitäten und des nationalen und internationalen
Renommees unseres Verbundes ermöglicht uns das BMBF jetzt diese außergewöhnliche
Förderung und setzt damit gemeinsam mit dem DFNS auf Nachhaltigkeit.“ Die Einbeziehung
aller wichtigen Kräfte und Fachrichtungen in Deutschland, gesichert durch bestehende
Kooperationen mit den Forschungszentren aus den ersten beiden Förderperioden sowie den
Verbund-Partnern, gewährleistet eine überdauernde Fortführung und Weiterentwicklung der
Ziele des DFNS.

Projekte bahnen den Weg zur nationalen Institution
Die Projekte des DFNS sind darauf ausgelegt, die Infrastruktur des Verbundes überdauernd
zu sichern und die strategische Koordination weiterer nationaler und internationaler
Entwicklungen zu unterstützen. Dazu ist eine Überführung des DFNS in eine dauerhafte,
feste Institution in Deutschland in Form einer Stiftung, Akademie oder Vereinstruktur geplant.
Eine derartige Plattform soll langfristige Kooperation mit öffentlichen Institutionen wie
Universitäten, Stiftungen, BMBF, EU-Schmerzprojekten und insbesondere mit industriellen
Sponsoren sichern und so den Fortschritt im Verständnis der Pathophysiologie, Prävention
und Therapie neuropathischer Schmerzen festigen.

Weltweit größte Datenbank
Das zentrale Netzwerkprojekt umfasst den Ausbau, die Pflege, die Optimierung und die
Auswertung der Datenbank (QUAST) zu neuropathischem Schmerz. Diese Datenbank
beinhaltet genaue quantitative Veränderungen der Hautsensibilität sowie psychologische
Hintergründe von Patienten mit unterschiedlichen neuropathischen Schmerzbildern. Bislang
konnten mehr als 3000 Datensätze von mehr als 2000 Patienten sowie 540 Einträge eines
Kollektivs von 180 gesunden Probanden als Kontrollpatienten erhoben werden. Prof.
Christoph Maier, Bochum, dessen Forschungsteam die Datenbank verwaltet: „Mit Hilfe der
Datenbank werden wir in den nächsten Jahren diagnostische Auswertungs-Tools entwickeln,
die über das Netzwerk hinaus eine individualisierte Diagnostik ermöglichen sollen. Solche
Tools sind wirtschaftlich und wissenschaftlich wichtige EDV Lösungen zur Erforschung neuer
Therapiestrategien sowohl für die forschende Industrie als auch für akademische Partner.
Zum anderen stellen sie effiziente Instrumente zur Unterstützung von Kliniken und Praxen
dar.“ Mit dem elektronischen Auswertungsformular „eQuiSTA“ hat der Verbund bereits ein
Programm entwickelt, mit dem Ärzte eigene Patienten mit den Normkollektiven des DFNS
vergleichen können, um auf diesem Wege Aussagen über deren sensorische Dysfunktionen
zu machen.

Gene bestimmen den Schmerz
Die Blut-und DNA-Bank des DFNS soll zu einer multipel abfragbaren Ressource für
genetische Analysen durch nationale und internationale Forschungskonsortien und Industrie
etabliert werden. Dabei soll die Rolle genetischer Aspekte bei Schmerz-Entstehung und -
Verarbeitung genau erforscht werden. Im Fokus stehen eine ganze Reihe von Risikogenen,
die mit dem Auftreten neuropathischer Schmerzerkrankungen zusammenhängen könnten.
Erste Ergebnisse des Verbundes bestätigen bereits den Einfluss verschiedener
„Schmerzgene“. „Mit dem rasanten Fortschritt in der Genetik in den letzten Jahren und dem
zu erwartenden Fortschritt in den kommenden Jahren können diese Gen-Analysen
wegbereitend für neue therapeutische Ansätze werden.“, erklärt PD Dr. Achim Berthele, TU
München, Leiter des zentralen DNA-Labors.

Nervenschmerzen richtig messen
Entsprechend dem Leitgedanken des DFNS erfordert jeder einzelne Schmerzmechanismus
eine spezifische Therapie. Diese Mechanismen-orientierte bzw. Symptom-basierte Therapie
bedarf einer genauen Analyse der Schmerzsymptomatik, die als Indikator für die zugrunde
liegenden biologischen Mechanismen gilt. Die Quantitativ Sensorische Testung (QST)
ermöglicht mit einfachen Mitteln wie Pinsel und Wattebausch eine umfassende Analyse der
sensiblen Defizite und der positiven schmerzhaften Symptome des einzelnen Patienten. An
der Universität Heidelberg wird zur Sicherstellung einer hoch qualifizierten Diagnostik
neuropathischer Schmerzen ein zentrales Qualitätsmanagement-Zentrum unter Leitung von
Prof. Rolf-Detlef Treede etabliert: „Das vom DFNS entwickelte standardisierte QST-Protokoll
dient als Goldstandard. Mit ständigen Qualitätskontrollen gewährleisten wir, dass jeder
Untersucher im Netz zu den gleichen Ergebnissen und Grundlagen der Interpretation
gelangt. Über unseren Verbund hinaus ist die Einhaltung des Protokolls jetzt auch Basis der
von den Fachgesellschaften initiierten Zertifizierung von QST-Laboren „Quantitative
Sensorische Testung nach Profilen des DFNS“.“ Da die zunehmende Verbreitung der QST
eine Standardisierung des Verfahrens erfordert, hat der DFNS zusammen mit der Deutschen
Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) Zertifizierungsrichtlinien entwickelt (1).

Studien zentral organisieren und koordinieren
Die Kieler Forschungsgruppe verantwortet Organisation und Koordination klinischer Studien,
die im Rahmen des DFNS stattfinden. Dazu Prof. Ralf Baron:“ Die Durchführung klinischer
Studien bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer medikamentöser Therapieoptionen
und spielt damit eine zentrale Rolle in einem Forschungsprojekt, das sich mit
neuropathischem Schmerz beschäftigt. Wir streben die Etablierung einer individualisierten,
am Mechanismus orientierten Therapie an, die in Zukunft vor dem Hintergrund einer
alternden Bevölkerung und steigender Kosten im Gesundheitssystem entscheidende Vorteile
mit sich bringt.“ Auf die steigende Nachfrage nach klinischen Studien aus der Industrie hin
soll durch das Zentrum Kiel eine Analyse und Selektion geeigneter Patienten aus der
Datenbank vorgenommen werden. Zudem soll bei der Erstellung und Anpassung der
Studienprotokolle mitgearbeitet, die Durchführung der Studien durch Kommunikation mit den
anderen teilnehmenden Zentren koordiniert und bei Bedarf auch die zentrale
Datenauswertung einschließlich statistischer Analysen abgedeckt werden.

Publikationen setzen internationale Standards
Der DFNS hat durch seine systematische Arbeit zur Analyse neuropathischer Schmerzen,
die Entwicklung einer neuen Systematik der Symptom-basierten Klassifikation und die
Bereitstellung neuer Diagnosestrategien wie QST eine hohe Akzeptanz in der deutschen und
internationalen Ärzteschaft erlangt. Dies schlägt sich auch in den Publikationen des
Verbundes nieder. Gleich zwei Arbeiten des DFNS konnten jetzt in den beiden
internationalen Fachjournalen „Pain“ sowie „European Journal of Pain“ die Auszeichnung
„Top 10 Cited Paper 2006-2008“ erzielen (2,3). Beide Publikationen thematisieren das QSTProtokoll
des Verbundes – und die hohe Resonanz lässt hoffen, dass die Standards des
DFNS auf dem besten Wege sind, Einzug in die tägliche klinische Praxis zu halten.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dr. Thomas R. Tölle
Geschäftsstelle des DFNS
Neurologische Klinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar der TU München
Ismaninger Str. 22
81675 München
Tel.: +49-89-4140-4603
e-mail: dfnsatlrz.tu-muenchen.de


Pressekontakt DFNS:
Vedrana Romanovic
Geschäftsstelle des DFNS
Neurologische Klinik und Poliklinik
Klinikum rechts der Isar der TU München
Ismaninger Str. 22
81675 München
Tel.: 089 - 4140 – 4628
E-Mail: romanovicatlrz.tum.de

 

 


Pressekontakt:
Tanja Schmidhofer
Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Str. 22 · D-81675 München
Fon 089 . 4140 20 46
Fax 089 . 4140 49 29
tanja.schmidhoferatmri.tum.de

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