02.09.2025
Demenz

Neue Arznei bei Alzheimer: TUM Klinikum startet als eines der ersten in Europa Therapien mit „Lecanemab“

Premiere am TUM Klinikum Rechts der Isar: Ärztinnen und Ärzte des Klinikums der Technischen Universität München (TUM) haben heute erstmals zwei Patientinnen mit Alzheimer-Demenz mit dem neu zugelassenen Wirkstoff „Lecanemab“ behandelt. Das Medikament, seit April in der EU zugelassen und erst seit 1. September 2025 unter dem Handelsnamen „Leqembi“ in Deutschland verfügbar, ist ein Novum: Es handelt sich um die erste Arznei, die nicht nur Symptome lindern kann, sondern bei Patientinnen und Patienten im Frühstadium der Alzheimer-Erkrankung auch deren Verlauf verzögern kann – und zwar bei 18 Monaten Behandlungsdauer um bis zu ein halbes Jahr (1).
Prof. Dr. Timo Grimmer, Leiter der Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen, prüft die Infusion, über die die ersten Patientin am TUM Klinikum den neuen Wirkstoff "Lecanemab" erhält.
Als eines der ersten in Europa startet das TUM Klinikum Rechts der Isar Therapien mit der neuen Alzheimer-Arznei „Lecanemab“: Auf dem Foto prüft Prof. Dr. Timo Grimmer, Leiter der Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen, die Infusion, über die die ersten Patientin am TUM Klinikum den neuen Wirkstoff erhält. © Klaus Haag, TUM Klinikum

Prof. Dr. Timo Grimmer, Leiter der Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen am TUM Klinikum Rechts der Isar, sagt: „Ich freue mich sehr, dass nach Jahrzehnten ohne Neuerungen in der medikamentösen Therapie der Alzheimer-Krankheit nun erstmals eine verlaufsverzögernde Behandlung für Patientinnen und Patienten mit früher Demenz zur Verfügung steht.“ Zwei von ihnen sind heute auch für die erstmalige Anwendung ins TUM Klinikum gekommen: Prof. Grimmer überwachte den Einsatz, bei der das neue Medikament als Infusion verabreicht wurde. Die Patientinnen werden künftig alle zwei Wochen für Folgeinfusionen ins Klinikum kommen.

Antikörper-Arznei baut krankhafte Eiweiß-Plaques im Gehirn ab

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Demenzerkrankung: Etwa zwei Drittel der rund 1,8 Millionen Betroffenen in Deutschland (2) leiden an dieser fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankung, die nicht heilbar ist. Für Patientinnen und Patienten gab es bislang nur Medikamente, die ihre Beschwerden zwar lindern, aber nicht das Fortschreiten der Erkrankung verzögern konnten. 

Das ändert sich erstmals mit der Zulassung von „Lecanemab“: Bei diesem Wirkstoff handelt es sich um einen „monoklonalen Antikörper“. Er ist Molekülen nachempfunden, wie sie auch das menschliche Immunsystem einsetzt, um z.B. Bakterien und Viren erkennen und abbauen zu können. Statt gegen Krankheitserreger richtet sich „Lecanemab“ allerdings gegen sogenannte Beta-Amyloide. Das sind Eiweiße, die Verklumpungen im Gehirn von Menschen mit Alzheimer bilden und dadurch Nervenzellen schädigen. „Diese sogenannten Alzheimer-Plaques sind ein charakteristisches Phänomen der Erkrankung“, erklärt Prof. Grimmer. „Lecanemab“ soll sie reduzieren – und damit den Verlauf der Erkrankung verzögern. In den Zulassungsstudien, an denen auch das TUM Klinikum beteiligt war, konnte das Fortschreiten der klinischen Symptome um ca. 30 Prozent verlangsamt werden. Verschiedene monoklonale Antikörper gegen die Alzheimer-Krankheit werden zurzeit in klinischen Studien getestet. „Donanemab“, ein weiterer Antikörper gegen Beta Amyloid, steht kurz vor der Zulassung. 

Angebot zunächst nur in großen Zentren

Infrage kommt eine Anwendung allerdings nicht für alle Menschen in frühen Stadien der Alzheimer-Erkrankung – eine Diagnose, die zudem erst durch eine Nervenwasser-Untersuchung und per Positronenemissionstomografie (PET) gesichert sein muss. Um Risiken zu minimieren – zu möglichen Nebenwirkungen von „Lecanemab“ zählen etwa Schwellungen und Mikroblutungen im Gehirn –, ist die Arznei nur für Personen zugelassen, die nicht mehr als eine Kopie des ApoE4-Gens haben. Zusätzlich zu einem entsprechenden Gentest sind aus Sicherheitsgründen vor Beginn und auch im Verlauf der Behandlung regelmäßige Untersuchungen mit einem Magnetresonanztomografen (MRT) nötig. 

Das Angebot der neuen Therapie dürfte sich zunächst allerdings auf wenige Zentren beschränken, da ihr Einsatz Erfahrung und die nötige Ausstattung erfordert. „Das TUM Klinikum Rechts der Isar ist für diese Behandlung perfekt aufgestellt“, sagt Prof. Grimmer. Schon seit 40 Jahren widme man sich hier der Diagnostik und Therapie dementieller Erkrankungen. „Wir können die komplette notwendige Diagnostik, die Behandlung und die notwendigen Sicherheitsuntersuchungen unter einem Dach anbieten.“ Der Experte denkt aber schon weiter. „Natürlich werden wir auch künftig die Forschung vorantreiben, um Patientinnen und Patienten mit dementiellen Syndromen die bestmögliche Behandlung bieten zu können.“ Dafür sind die Voraussetzungen am TUM Klinikum ideal: Auf dem Gelände entsteht derzeit der Neubau des Zentrums für Multiple Sklerose und Neurowissenschaften, dessen Fertigstellung für 2026 erwartet wird. Neben der Multiplen Sklerose sollten hier auch neurodegenerative Erkrankungen inkl. der Alzheimer-Krankheit erforscht werden sollen.

Quellen:
1) van Dyck et. al: N Engl J Med, 2023 Jan 5;388(1):9-21. doi: 10.1056/NEJMoa2212948. Epub 2022 Nov 29.
2) Infoblatt Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.

 

Prof. Timo Grimmer, Leiter der Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen am TUM Klinikum © Klaus Haag, TUM Klinikum
Prof. Dr. Timo Grimmer leitet die Ambulanz für Neurokognitive Erkrankungen am TUM Klinikum Rechts der Isar. © Klaus Haag, TUM Klinikum