Glossar: Fachbegriffe der Humangenetik

Allele

Alternative Formen eines Gens, die an korrespondierenden Genloci der homologen Chromosomen vorkommen. Innerhalb der Bevölkerung kommen oft viele unterschiedliche, als normal einzustufende, Allele vor (sog. multiple Allele). Die Unterschiede in den Allelen werden durch Sequenzvariationen (Polymorphismus) verursacht, die für die Funktion des entsprechenden Genproduktes nicht von Bedeutung sein müssen. Ein Individuum erbt in der Regel je ein Allel eines Gens von der Mutter und vom Vater. Sind diese Allele identisch, bezeichnet man das Individuum als homozygot für dieses Allel, sind sie unterschiedlich als heterozygot.

Anlageträger

Träger einer Mutation in einem Allel eines Gens (= heterozygot). In diesen Fällen ist die Mutation in einem Allel in der Regel nicht ausreichend für die klinische Manifestation der Erkrankung. Bei autosomal rezessiven Erbgängen kommt es erst zur klinischen Manifestation, wenn auch das zweite Allel durch eine Mutation verändert wird.

Antizipation

Kommt es bei einem Erbleiden in aufeinanderfolgenden Generationen zu immer früherer Krankheitsmanifestation, spricht man von genetischer Antizipation.

Autosomen

Ein anderes Wort dafür ist "Körperchromosomen". Da sind Chromosomen, die nicht an der Ausbildung des Geschlechts beteiligt sind.

Chromosom

Chromosomen sind die Träger der Erbinformation im Zellkern. Sie sind Träger vieler Gene bzw. Allele, die sich an verschiedenen Genloci auf dem Chromosom befinden. Sie bestehen aus einem langen, durchgängigen Strang aus DNA und Proteinen, der die Form einer Doppelhelix hat. Wenn keine Kernteilung stattfindet, liegen die Chromosomen im entspannten, unspiralisierten Zustand vor, als lange DNA-Fäden. Um sich teilen zu können, muss sich der im Zellkern vorliegende DNA-Strang zunächst verdoppeln und mit dem neu entstandenen Strang verbinden. Nur während der Zellkernteilung werden die Chromosomen unter dem Mikroskop sichtbar, da sich die Stränge verkürzen, indem sie sich zu einer kompakten Transport-Form spiralisieren. Zu Beginn der Kernteilung bestehen die Chromosomen also aus zwei identischen DNA-Strängen, die sich zu zwei "Chromosom-Armen" (Chromatiden) spiralisiert haben (Zwei-Chromatid-Chromosom). Die Verbindungsstelle der beiden Chromatiden nennt man Centromer. Nach der erfolgreichen Kernteilung bestehen die Chromosomen erneut nur aus einem Chromatiden / DNA-Strang (Ein-Chromatid-Chromosom) und verdoppeln sich nach einiger Zeit wieder.

Chromosomenaberration / Chormosomenabweichung / Chromosomenanomalie

Eine Abweichung bezüglich Struktur oder Anzahl der Chromosomen in einem Genom.

Contiguous gene syndromes

Es handelt sich hierbei um sehr kleine Chromosomenfehlbildungen (meist Deletionen oder Duplikationen), die durch ein spezifisches komplexes Erscheinungsbild (Phänotyp) charakterisiert sind. Das ursächlich betroffene DNA-Segment umfasst mehrere, in einer Chomosomenregion aneinandergrenzende Gene, die unabhängig voneinander zum Ernscheinungsbild beitragen.

Direkte Diagnostik

Ist das bei einer Erbkrankheit betroffene Gen in seiner Lokalisation und Nukleotidsequenz (Abfolge der chemischen Bausteine der DNA und RNA) bekannt, kann bei Patienten und Anlageträgern die Mutation in diesem Gen direkt identifiziert werden.

Disomie, uniparentale

Damit ist das Vorliegen von zwei homologen (gleichartigen) Chromosomen oder Chromosomenabschnitten (partielle Disomie) gemeint, die beide von einem Elternteil geerbt wurden.

Deletion

Fehlen eines Chromosomen- bzw. DNA-Segments. Interstitielle Deletion bedeutet Bruchstückverlust innerhalb eines Chromosoms im Gegensatz zur terminalen Deletion, bei der Endabschnitte eines Chromosoms verloren gehen.

De novo Deletion / de novo Mutation

Nicht von einem der Eltern geerbte, sondern im betroffenen Individuum neu aufgetretene Deletion / Mutation.

DNA-Methylierung

Bezeichnung für die elektrostatische Anziehung zwischen zwei Atomen (kovalente Bindung) eines Methylrestes an bestimmte Basen der DNA. Methylreste sind die einfachste Atomanordnung in der organischen Chemie aus Kohlenstoff- und Wasserstoffmolekülen. In menschlichen Zellen werden ausschließlich Cytosinreste (5-Methyl-Cytosin) in CG-Dinukleotiden methyliert. Die DNA-Methylierung hat in Zellen mit einem Zellkern (eukaryotischen Zellen) eine wichtige Funktion, weil sie an der Organisation der DNA-Struktur und an der Regulation von Genen beteiligt ist.

DNA-Replikation

siehe Replikation.

Dominanter Erbfaktor

Dominant heißt "beherrschend". Ein dominanter Erbfaktor bei "mischerbigen" (heterozygoten) Allelen setzt sich bei der Merkmalsausprägung gegen einen rezessiven Erbfaktor durch. Rezessiv heißt "zurücktretend". Das Allel muss also nur einfach vorhanden sein.

Duplikation

Zweimaliges Auftreten desselben Chromosomensegments bzw. Gens im einfachen (haploiden) Chromosomensatz.

Erbgang

Autosomal dominanter Erbgang

Vererbungsmodus, bei dem ein Merkmal bereits ausgeprägt wird, wenn das auslösende Allel nur einfach (heterozygot) vorhanden ist. Das entsprechende Gen liegt auf einem Autosom (nicht auf einem Geschlechtschromosom) und wird unabhängig vom Geschlecht vererbt. Für Nachkommen eines Betroffenen besteht ein Risiko von 50 Prozent, das auslösende Allel zu erben und ebenfalls Merkmalsträger zu sein.
 

Autosomal rezessiver Erbgang

Vererbungsmodus, bei dem ein Merkmal nur bei zweifachem Vorhandensein (= Homozygotie) des auslösenden Allels auftritt. Heterozygote Genträger (Allel nur einfach vorhanden) sind klinisch in der Regel nicht zu erkennen, sie werden als Anlageträger bezeichnet. Das entsprechende Gen liegt auf einem Autosom und wird unabhängig vom Geschlecht vererbt. Bei heterozygoten, klinisch gesunden Eltern besteht ein Risiko von jeweils 25 Prozent für ein betroffenes Kind.
 

X-chromosomal rezessiver Erbgang

Erbgang, bei dem das ursächliche Gen auf dem X-Chromosom lokalisiert ist und bei Männern (hemizygot) zur Merkmalsausprägung führt. Frauen sind nur Merkmalsträger, wenn sie das auslösende Allel zweifach (homozygot) geerbt haben. Heterozygot (Allel nur einfach vorhanden) betroffene Frauen zeigen in der Regel keine klinischen Symptome, sind jedoch Überträgerinnen für das Merkmal und haben ein Risiko von 50 Prozent für betroffene Söhne und Töchter, die wiederum Überträgerinnen sind.

X-chromosomal dominanter Erbgang

Erbgang, bei dem das Gen auf dem X-Chromosom lokalisiert ist und das entsprechende Merkmal bei Vorhandensein nur eines auslösenden Allels ausgeprägt wird. Im Gegensatz zum X-chromosomal rezessiven Erbgang sind neben hemizygoten Männern (Allel liegt auf dem X-Chromosom, das nur einmal im sonst zweifach vorhandenen Chromosomensatz vorkommt) auch heterozygote Frauen betroffen, bei denen das Allel einfach vorhanden ist.

Exon

DNA-Abschnitt eines eukaryotischen Gens (bildet Zellen mit einem Zellkern aus), der informationstragend für das entsprechende Protein ist. Zwischen den Exons eines Gens befinden sich die nicht-kodierenden DNA-Abschnitte, die sogenannten Introns.

Expression

siehe Genexpression.

Expressivität

Art und Ausmaß der phänotypischen Ausprägung (Erscheinungsbild) eines penetranten Gens (siehe auch Penetranz).

Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH)

Molekularzytogenetische Methode zum Nachweis von chromosomalen Rearrangements, (Mikro)-Deletionen, chromosomaler Lokalisation oder Kopienzahl eines Gens. Im ersten Schritt werden hierzu biotinylierte Nukleotide (DNA-Bausteine, die eine Verbindung mit einem bestimmten Vitamin eingegangen sind) in spezifische DNA-Sonden eingebaut. Spezifische DNA-Sonden sind kurze, einsträngige DNA-Fragmente, die zum Detektieren komplementärer DNA- oder RNA-Sequenzen eingesetzt werden. Nach anschließender Hybridisierung von Metaphasezellen mit diesen Sonden, werden sie mit Fluorescein-Isothiocyanat-markiertem Avidin, einem besonderes Protein, sichtbar gemacht. Die Zahl und Lokalisation der detektierbaren fluoreszierenden Punkte stimmt mit der Anzahl der Genkopien (normalerweise 2) und deren chromosomaler Lokalisation überein.

Gelelektrophorese

DNA-Moleküle tragen negative Ladungen, wodurch eine Bewegung der Moleküle im elektrischen Feld ermöglicht wird. Erfolgt diese Bewegung innerhalb einer geeigneten Matrix (Agarose oder Polyacrylamid), so wandern DNA-Moleküle entsprechend ihres Molekulargewichts und können der Größe nach aufgetrennt werden.

Gendosis

Alle autosomalen Gene, also alle Gene, die nicht an der Geschlechtsausbildung beteiligt sind, liegen in zweifacher Kopie im Genom vor. Viele Gene müssen auch von beiden Allelen exprimiert werden, um eine normale Zellfunktion aufrecht zu erhalten. Ist z. B. ein Allel eines Gens verloren gegangen, so ist unter Umständen die halbe Gendosis für eine normale Zellfunktion nicht ausreichend.

Genexpression

Bezeichnung für alle Vorgänge, bei denen von der Nukleotidsequenz eines Gens ausgehend durch Transkription eine Kopie in Form von RNA (messenger-RNA) hergestellt wird und anschließend durch Translation das entsprechende Protein (Genprodukt) synthetisiert wird.

Genlocus, Genort

Physikalische Position, an der sich ein Allel auf einem Chromosom befindet.

Haplotypanalyse

Bei der Haplotypanalyse kann mit Hilfe von sogenannten polymorphen DNA-Markern die Vererbung eines chromosomalen Bereichs innerhalb einer Familie verfolgt werden. Auch wenn innerhalb dieses Bereichs die genaue Lokalisation und Sequenz des Gens unbekannt ist, das die Krankheit verursacht, kann durch die Kenntnis der Vererbung des Chromosomenbereichs indirekt auf die Vererbung der Mutation geschlossen werden. Ebenso kann bei einem bekannten Gen eine unbekannte Mutation indirekt nachgewiesen werden. Diese Vorgehensweise wird gewählt, wenn die direkte Mutationssuche im entsprechenden Gen zu aufwendig ist. Die Haplotypanalyse ist eine Familienuntersuchung. Daher ist es notwendig, dass neben dem oder den Betroffenen selbst auch möglichst viele Familienmitglieder teilnehmen.

Heterolog

Heterolog heißt "andersartig" oder "abweichend". Es ist das Gegenteil von homolog. Heterolog bedeutet, dass die Chromosomen eines Chromosomenpaares aus einem diploiden Chromosomensatz (ein mütterliches und ein väterliches Chromosom) voneinander abweichen.

Homolog

Homolog heißt "gleichartig". Homologe Chromosomenpaare bedeuten, dass jedes Chromosom in einer menschlichen Zelle zweifach vorliegt (ein mütterliches und ein väterliches Chromosom).

Imprinting, genomisches

Eine in der frühen Embryonalentwicklung stattfindende Prägung von bestimmten Genen, je nachdem, ob sie mütterlicher oder väterlicher Herkunft sind. Das Imprinting bewirkt in Abhängigkeit von der elterlichen Herkunft der Gene deren unterschiedliche Genaktivität, d. h. einige wenige Gene sind nur auf den von der Mutter geerbten Chromosomen aktiv, andere Gene nur auf den väterlich geerbten Chromosomen. Auf biochemischer Ebene beruht das Imprinting vermutlich auf Methylierung der DNA.

Imprinting-Mutation

Bei manchen Krankheitsbildern lässt sich eine verminderte oder verstärkte Methylierung der DNA nachweisen, die vermutlich krankheitsverursachend ist. Die Mutationen, die zu einer gestörten Methylierung führen, werden als Imprinting-Mutationen bezeichnet.

Indirekte Diagnostik

Ist die chromosomale Position eines bei einer genetischen Erkrankung betroffenen Gens bekannt, das Gen selbst jedoch noch nicht isoliert oder ist ein bekanntes Gen so groß, dass nicht jede Mutation direkt nachgewiesen werden kann, so kann ein Gendefekt indirekt diagnostiziert werden. Siehe Haplotypanalyse.

Indexpatient

Bei z. B. autosomal dominanten Erbgängen wird die molekulargenetische Untersuchung eines Erbleidens zunächst nur bei einem betroffenen Familienmitglied durchgeführt (= Indexpatient), da die Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei den anderen betroffenen Familienmitgliedern von der gleichen Mutation verursacht wird. Erst nach Identifikation der beim Indexpatienten krankheitsverursachenden Mutation werden die weiteren Familienmitglieder gezielt auf diese Mutation hin untersucht.

Intron

Nicht informationstragender DNA-Abschnitt eines eukaryontischen Gens (bildet Zellen mit Zellkern aus), der zwischen Exons lokalisiert ist.

Karyotyp

Chromosomensatz eines Individuums, der sowohl durch die Anzahl der Chromosomen definiert ist, als auch durch deren mikroskopische Form und Struktur in der mitotischen Metaphase (Phase der Zellkernteilung = Mitose).

Karyogramm

Paarweise Anordnung der homologen Chromosomen nach Länge, Lage des Zentromers (Einschnürungszelle) und nach dem Muster der Chromosomenbänder zur systematischen Analyse der Chromosomen.

Keimbahnmutation

Eine Mutation, die in der Keimbahn (Eizelle bzw. Spermium) eines Elternteils entstanden ist. Wird sie auf ein Kind weitervererbt (50 Prozent Wahrscheinlichkeit), so ist sie in allen Körperzellen des Kindes (wiederum auch in Zellen der Keimbahn) nachweisbar.

Konduktorin

z. B. Hämophilie A: Trägt eine Frau eine Mutation in einem Allel des Faktor-VIII-Gens (= heterozygot), ist sie klinisch nicht von der Erkrankung betroffen. Sie ist jedoch Überträgerin bzw. Konduktorin für die Erkrankung, weil sie ein 50-prozentiges Risiko für betroffene männliche Nachkommen und für Töchter mit Konduktorinneneigenschaften hat.

Mikrodeletion

Zytogenetisch in der Regel nicht erkennbare kleine Deletion (<2Mb), die mittels FISH oder mit anderen molekulargenetischen Methoden nachgewiesen werden kann.

Mismatch-repair

Bei der DNA-Replikation (siehe: Replikation) entstandene Fehler wie z. B. falsche Basenpaarungen (=mismatch) werden im Zellkern von einem Enzym-Komplex korrigiert.

Monogen

Erkrankungen, die durch Mutationen in einem bestimmten Gen verursacht werden, bezeichnet man als monogene Erbleiden. Bisher sind ca. 6000 solcher Erkrankungen beschrieben.

Monosomie

Monosomie meint das Fehlen von einem oder mehreren einzelnen Chromosomen in einem im übrigen diploiden (jeweils zwei homologe Chromosomen enthaltenden) Chromosomensatz. Bei der interstitiellen Monosomie fehlt nur ein Bruchstück innerhalb eines Chromosoms.

Mutation

Missense-Mutation

Der Basenaustausch an einer Position der DNA-Sequenz kann zum Einbau einer falschen Aminosäure in das entsprechende Protein führen.

Neumutation

Nach der Befruchtung der Eizelle neu aufgetretene Mutation. Je nach Zeitpunkt des Auftretens in der Entwicklung unterscheidet man im Wesentlichen zwei Fälle: Bei sehr frühem Auftreten sind fast alle Zellen des sich entwickelnden Individuums betroffen, unter Umständen auch die Zellen der Keimbahn, es kommt in der Regel zur vollen klinischen Manifestation. Bei späterem Auftreten sind nur die Zellen bestimmter Gewebe betroffen, man bezeichnet dies als eine somatische Mutation mit einem Mosaik für bestimmte Gewebe. Klinisch sind alle Variationen von schwer bis nicht betroffen möglich.
 

Nonsense-Mutation

Bei der Proteinbiosynthese (Expression; Herstellung eines Proteins in einem Lebewesen) erfolgt die Termination durch sogenannte Stop-Codons (dreiteilige Basenkombination), die vom Proteinsyntheseapparat als solche erkannt werden. Wird durch eine Mutation im kodierenden Bereich eines Gens ein Stop-Codon neu generiert, so kommt es zur vorzeitigen Termination der Proteinsynthese. Es resultiert ein verkürztes, unter Umständen funktionsloses Protein.
 

Punktmutation

Veränderung an einer Stelle der DNA-Sequenz, z. B. Austausch eines Nukleotids (DNA-Baustein). Unter diesem Begriff werden auch Veränderungen zusammengefasst, die durch Deletion oder Insertion (Einbau) einzelner oder mehrerer Basenpaare verursacht werden.
 

Splice-site-Mutation

Die kodierenden Exonsequenzen eines Gens müssen auf der Ebene der RNA zusammengesetzt werden, d. h. die Intronsequenzen müssen entfernt werden. Diesen Vorgang bezeichnet man als "Splicen". Der Splice-Apparat erkennt den Anfang und das Ende eines Exons, die sogenannte Exon-Intron-Grenze, an der Basenabfolge in diesem Bereich. Wird eine essentielle Base dieser Erkennungssequenz ausgetauscht, wird das entsprechende Exon beim Splice-Vorgang nicht berücksichtigt, wodurch es zur Synthese eines veränderten Proteins kommt.
 

Triplettrepeatverlängerung, dynamische Mutation

Aufeinanderfolgende identische Nukleotidtripletts kommen im menschlichem Genom in unterschiedlichen Bereichen vor. Die Anzahl solcher Nukleotidtripletts (Triplett-Wiederholungen, Triplettrepeats) an einem Genlocus ist in der Gesamtbevölkerung variabel, jedoch auf einem bestimmten Normalbereich beschränkt und zeigt innerhalb einer Familie über Generationen hinweg nur geringe Veränderungen. Durch einen bisher nicht bekannten Mechanismus kann es zur Erhöhung der Anzahl der Triplett-Wiederholungen über einen kritischen Schwellenwert hinaus kommen. Liegt diese zu große Anzahl an Nukleotidtripletts (Triplettrepeatverlängerung) im Bereich von Genen vor, kann sie Krankheiten verursachen. Die Auswirkungen der erhöhten Anzahl von Triplett-Wiederholungen sind unterschiedlich, in der Regel bewirken sie eine verminderte Synthese oder eine Funktionsstörung des entsprechenden Proteins. Eine Besonderheit dieses Mutationsmechanismus ist seine Dynamik: Hat die Anzahl der Triplettwiederholungen einmal den kritischen Wert überschritten, kann sie von Generation zu Generation größer werden (dynamische Mutation). Da der Ausprägungsgrad und das Manifestationsalter der Erkrankungen mit der Anzahl der Triplett-Wiederholungen zusammenhängt, kann auf diese Weise das Phänomen der genetischen Antizipation (siehe oben) erklärt werden.

Nukleotid

Grundbaustein der DNA und RNA. Es ist ein Molekül mit einem Phosphat-, einem Zucker- und einem Basen­bestandteil.

Nukleotidtriplett

Folge von drei Nukleotiden (z. B. CAG).

PCR, Polymerase-Kettenreaktion

Methode zur in-vitro-Amplifikation (Vermehrung von DNA-Abschnitten) einer bestimmten DNA-Sequenz mit Hilfe von DNA-Polymerasen (Enzym zur Synthese von DNA). Die Amplifikation erfolgt durch zyklisch wiederholte Anlagerung von einzelsträngigen, synthetisch hergestellten DNA-Fragmenten (Primer) an denaturierte (einzelsträngige) genomische DNA und Verlängerung dieser Fragmente durch eine DNA-Polymerase. Diejenigen DNA-Sequenzen, an die sich die Primer anlagern, müssen bekannt sein.

Penetranz

Häufigkeit in Prozent, mit der sich ein Gen bzw. eine Mutation in einem Gen im Phänotyp manifestiert.

Polymorphismus

Vorkommen von zwei oder mehr unterschiedlichen Genotypen in einer Population. Die unterschiedlichen Genotypen lassen sich auf DNA-Sequenzvariationen zurückführen, die zu einem gewissen Prozentsatz in der Bevölkerung vorgefunden werden und kein pathogenetisches Korrelat besitzen.

Promotor

Ein bei eukaryontischen Genen (Zellen mit Zellkern) ca. 100 bp langer DNA-Bereich vor dem Transkriptionsstart eines Gens, von dem aus die Transkription des Gens gesteuert wird. In diesem Bereich liegen Erkennungs-Sequenzen für den Enzymkomplex der Transkription und für regulatorische Proteine.

Replikation

Vor jeder Zellteilung muss der Chromosomensatz dupliziert werden, um die Weitergabe des gesamten genetischen Materials an die Tochterzellen zu gewährleisten. Dies geschieht durch die DNA-Replikation, bei der spezifische Enzyme zu einer identischen Verdopplung der DNA-Moleküle in der Zelle führen.

Restriktionsenzyme

DNA-Endonukleasen, die an spezifischen Nukleotidsequenzen an die DNA binden und an dieser Stelle den DNA-Strang durchtrennen.

Rezessiv

Rezessiv heißt "zurücktretend". Erbfaktoren in "mischerbigen" (heterozygoten) Allelen sind rezessiv, wenn sie gegenüber einem dominanten Erbfaktor bei der Merkmalsausprägung nicht in Erscheinung treten. Damit sich der rezessive Faktor durchsetzt, muss er "reinerbig" (homozygot) vorliegen, d. h. er muss von beiden Elternteilen vererbt werden. Der Erbfaktor muss also zweifach vorliegen.

Sequenzanalyse, Sequenzierung

Automatisierte Verfahren zur Analyse der Nukleotidabfolge von DNA-Fragmenten.

Sequenzgelelektrophorese

Sonderform der Gelelektrophorese zur Analyse der Nukleotidabfolge von DNA-Fragmenten. Hierbei werden sehr kurze, einzelsträngige DNA-Fragmente (denaturierte DNA-Stränge) in einem Polyacrylamidgel, entsprechend ihrer Länge und Nukleotidsequenz, aufgetrennt und nachgewiesen.

Somatische Mutation

Tritt eine Mutation nach der Befruchtung einer Eizelle auf, so sind in der Regel nicht alle Gewebe des entstehenden Individuums von dieser Mutation betroffen. Per definitionem sind die Zellen der Keimbahn nicht von der Mutation betroffen.

Southern-Blot-Hybridisierung

Eine Technik, um spezifische DNA-Fragmente zu detektieren und deren Größe zu analysieren. Hierzu wird meist genomische DNA mit Restriktionsenzymen in Fragmente gespalten, die mittels Gelelektrophorese der Größe nach aufgetrennt und anschließend auf eine Membran übertragen werden (Southern-Blot). Diese Membran wird dann mit einer spezifischen, radioaktiv markierten DNA-Sonde inkubiert. Wenn die komplementären DNA-Sequenz auf der Membran vorhanden ist, lagert sich die Sonde an diese Sequenz an (Hybridisierung) und kann anschließend mit einer Autoradiographie detektiert werden.

SSCP-Analyse, single-stranded conformation polymorphism-analysis

Einzelstrang-Konformationspolymorphismus-Analyse: Screeningverfahren für Mutationen, das auf dem unterschiedlichen elektrophoretischen Laufverhalten von Einzelstrang-DNAs mit minimal unterschiedlichen Nukleotidsequenzen beruht. Für diese Untersuchung wird zunächst der betroffene DNA-Bereich (meist einzelne Exons von Genen, die bei bestimmten Erkrankungen mutiert sind) mittels PCR vermehrt. Nach der Vermehrung werden die doppelsträngigen PCR-Produkte denaturiert um Einzelstränge zu erhalten, die dann in einer Gelelektrophorese auf ihr Laufverhalten untersucht werden. Ein Unterschied von einem einzigen Nukleotid führt zu einer veränderten Konformation des Einzelstrangs und zu einem veränderten Laufverhalten im Gel.

Transkription

Erster Schritt bei der Expression von Genen. Hierbei wird im Zellkern, durch einen RNA-Polymerase-Enzymkomplex, eine messenger-RNA-Kopie von einem informationstragenden DNA-Abschnitt (Gen) synthetisiert. Im Zytosol der Zelle erfolgt anschließend die Translation.

Translation

Zweiter Schritt bei der Expression von Genen. Hierbei wird die bei der Transkription auf messenger-RNA übertragene Information am ribosomalen Proteinsyntheseapparat abgelesen und in die entsprechende Aminosäuresequenz übersetzt.

Translokation

Chromosomale Strukturveränderung durch Umlagerung eines Chromosomenabschnitts, z. B. Verlust, Austausch oder Verlagerung einzelner Chromosomenstücke.

Trinukleotidrepeat, Triplettrepeat

Mehrfach hintereinander vorkommende Wiederholungen einer DNA-Sequenz, die aus jeweils drei Nukleotiden (z. B. CAG) besteht.

Überträger

siehe Erbgänge.

X-Inaktivierung

In der frühen Embryonalzeit ablaufende Inaktivierung eines der beiden X-Chromosomen in somatischen Zellen weiblicher Organismen (Lyon-Hypothese). Ursprünglich väterliche oder mütterliche X-Chromosomen werden dabei zufallsgemäß inaktiviert (random X-inactivation).

Back to top