Prostatakrebs: Warum der PSA-Test zur Früherkennung sinnvoll ist

Prostatakrebs: Warum der PSA-Test zur Früherkennung sinnvoll ist

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat in einem Vorbericht zur Bewertung des PSA-Screenings zur Früherkennung von Prostatakarzinomen gewarnt, dass die Schäden des Tests den Nutzen überwiegen. Damit steht die PSA-Messung erneut in der öffentlichen Kritik. Prof. Jürgen Gschwend, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum rechts der Isar, und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft, empfiehlt sie trotzdem – aus guten Gründen.

Prof. Dr. Jürgen Gschwend, Direktor der Klinik für Urologie am Klinikum rechts der Isar

Prof. Dr. Jürgen Gschwend, Direktor der Klinik für Urologie am Klinikum rechts der Isar

Prof. Gschwend, das IQWiG beruft sich auf die Ergebnisse aus elf randomisierten kontrollierten Studien. Hat das Institut die richtigen Schlüsse gezogen?

Prof. Dr. Jürgen Gschwend: Zunächst muss man festhalten, dass sich das IQWiG nicht mit der individuellen Früherkennung befasst hat, sondern mit einem potenziellen Screening aller Männer in Deutschland. Das wird in der öffentlichen Diskussion gern vermischt. Doch auch die Nutzenbewertung selbst ist – aus meiner Sicht – sehr subjektiv geraten. Denn die Analyse basiert auf zahlreichen Eckpunkten, für die es zum Teil gar keine Ergebnisse aus Studien gab. Auch die Argumentation ist in sich nicht stimmig. Bei Kriterien wie dem prostataspezifischen Überleben und der Diagnose metastasierter Prostatakarzinome zeigte das PSA-Screening in den Studien tatsächlich einen signifikanten Nutzen. Insbesondere die sehr wichtigen europäischen Studien (z. B. ERSPC) belegen eine mehr als 50-prozentige Reduktion der Prostatakarzinom-spezifischen Mortalität und des Metastasen-freien Überlebens.

Das IQWiG argumentiert nun gerade, dass ein PSA-Screening Männer zwar vor dem Tod durch Prostatakarzinom bewahrt, aber die Gesamtmortalität nicht verbessert.

Prof. Dr. Jürgen Gschwend: Das ist eine sehr simplifizierte Darstellung, die hoffentlich nicht dazu führt, dass Männer die Früherkennung vermeiden. Rein statistisch betreffen rund 25 Prozent aller Krebserkrankungen beim Mann die Prostata, das Prostatakarzinom ist die dritt- bis zweithäufigste Todesursache beim Mann. Jährlich verzeichnen wir rund 60.000 Neuerkrankungen und mehr als 13.000 Todesfälle. Rund 20.000 Männer tragen zudem ein fortgeschrittenes Karzinom mit sich und leiden damit über Jahre an tumorbedingten Schmerzen und unangenehmen Nebenwirkungen der notwendigen Therapien. Früherkennung hilft, genau das zu verhindern.

Was sagen Sie zum Vorwurf der Überdiagnose und Übertherapierung?

Prof. Dr. Jürgen Gschwend: Diesen unterstellten Automatismus, dass ein erhöhter PSA-Wert gleich eine Therapie nach sich zieht, gibt es in der Praxis nicht. Jeder erhöhte PSA-Wert wird zunächst kontrolliert. Auch gutartige Veränderungen können sich ja in einem erhöhten Wert niederschlagen. Bleibt dieser hoch, folgt heute z. B. eine MRT-Untersuchung. Und erst wenn diese Auffälligkeiten zeigt, ist es wahrscheinlich, dass der Patient ein signifikantes Karzinom hat – dann muss eine Biopsie erfolgen. Bei einem unauffälligen MRT hingegen empfiehlt man zunächst meist eine Beobachtung. Und selbstverständlich klären wir die Betroffenen sehr genau über alle Untersuchungen sowie Behandlungsmöglichkeiten und deren mögliche Risiken auf.

Hat die Kritik am PSA-Test zu einem Vertrauensverlust geführt?

Prof. Dr. Jürgen Gschwend: Leider ja. Wir Urologen beobachten, dass viele Männersehr verunsichert sind, ob sie diesen Test machen lassen sollen. Wohin dieses Misstrauen führen kann, ist bekannt: Als die Gesundheitsbehörden in den USA im Zuge einer später umstrittenen Studie (PLCO-Studie) ihre Empfehlung für ein PSA-Screening zurückzogen, stieg die Mortalitätsrate ebenso wie die Zahl der Hochrisiko-Prostatakarzinome und die Zahl der metastasierten Patienten stark an.

Würden Sie für den PSA-Test eine allgemeine Screening-Empfehlung geben?

Prof. Dr. Jürgen Gschwend: Ich rate jedem Mann ab 45 oder 50 Jahren, der wissen möchte, ob er ein Risiko hat, an einem Prostatakarzinom zu erkranken oder es bereits mit sich trägt, einen PSA-Test zu machen. Ich empfehle dies allerdings im Rahmen einer individuellen Früherkennung und nicht als flächendeckendes Screening. Und ich finde es unfair, dass er für diesen Test bezahlen muss, da er von der GKV nicht erstattet wird, obwohl er sein Prostatakrebsrisiko nur auf diesem Weg klären kann.

Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 

Klinik und Poliklinik für

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