Als Theo W. zwei Jahre alt war, konnte er immer noch kein Wort sprechen. Die Eltern waren ratlos, denn zu diesem Zeitpunkt wussten sie noch nicht, dass ihr Sohn gehörlos zur Welt gekommen war. Erst eine Untersuchung im Hörzentrum des Universitätsklinikums rechts der Isar in München brachte Klarheit darüber. Und: Die Spezialist*innen dort konnten dem Jungen helfen: In einer rund 3,5-stündigen Operation setzten sie ihm zwei Cochlea-Implantate ein – und schenkten ihm so ein Gehör. Damit stehen die Chancen gut, dass Theo bald erste Wörter sprechen kann.
Neulich, Theo war tief in sein Spiel vertieft, da fuhr ihm der Schreck durch alle Glieder: ein lauter Knall von draußen, der Junge zuckte zusammen. „Da hab‘ ich vor Freude geweint“, erzählt seine Mutter Sandra W. (42). Denn Momente wie diese lassen sie Hoffnung schöpfen: Darauf, dass Theo, zweieinhalb, endlich hören kann, was um ihn herum geschieht, dass er die Stimme seiner Mutter hört und dass er irgendwann auch selbst beginnt, lautsprachlich zu kommunizieren, so wie es für andere Kinder in seinem Alter längst normal ist. Theo ist jedoch gehörlos auf die Welt gekommen – er soll es aber nicht bleiben.
Ein komplexes technisches System, ein Cochlea-Implantat (CI), das auf den ersten Blick wie ein konventionelles Hörgerät aussieht, öffnet Theo seit Kurzem die Tür zur Welt der Klänge und Geräusche. Anders als ein klassisches Hörgerät, das den Schall nur verstärkt und ans Trommelfell weiterleitet, ersetzt diese Technik die Funktion des Innenohrs (siehe unten „Stichwort Cochlea-Implantat“).
Zwar reicht die Auflösung der Signale eines Cochlea-Implantats bei Weitem nicht an die eines gesunden Innenohres heran. Aber in der Praxis lernt das Gehirn meist erstaunlich gut, sich aus diesen elektrischen Impulsen ein akustisches Bild von der Welt zu machen.
Theo muss jetzt nachholen, was ein Neugeborenes automatisch lernt
Theo steht hier noch am Anfang: Wie unterscheidet sich das Rumpeln einer Waschmaschine von der Stimme der Mutter? Welchem Ereignis lässt sich ein Knistern, ein Knall oder ein langgezogener Ton zuordnen? „Theo hat jetzt das nachzuholen, was ein Neugeborenes ganz automatisch lernt“, erklärt Privatdozentin Dr. Nora Weiss, die das Hörzentrum an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM) leitet.
Theos Mutter beobachtet überglücklich die ersten Erfolge. „Momentan mag er ganz gerne laute Geräusche, also: Er klopft gerne. Davor hat sich seine ganze Welt immer nur ums Fühlen gedreht“, erzählt sie. Früher legte der Junge mit den dunkelbraunen Haaren und dem ernsten Blick oft die Hand an die Waschmaschine – um die Vibration zu fühlen. Heute steht er daneben und lauscht. Und in der Kinderkrippe, wo er zuvor meist lieber allein gespielt hat, geht er heute auf andere Kinder zu. Vor allem aber: Theo, der bisher kaum einen Laut von sich gab, sogar als Baby nur selten geweint oder geschrien hat, beginnt allmählich, selbst Geräusche zu machen. „Und dann fängt er auf einmal an zu lachen und kann gar nicht mehr aufhören“, sagt seine Mutter überglücklich.