Neues Gen für Vorhofflimmern entdeckt: Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature Genetics

Neues Gen für Vorhofflimmern entdeckt: Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature Genetics

Münchener Forscher um Arne Pfeufer vom Klinikum rechts der Isar der TU München, Stefan Kääb vom Klinikum Großhadern der LMU München und Thomas Meitinger vom Helmholtz Zentrum München beschäftigten sich bereits seit Jahren intensiv mit umweltbedingten und genetischen Risikofaktoren für Vorhofflimmern. Zusammen mit den Ärzten und Wissenschaftlern vom Deutschen Kompetenznetzwerk Vorhofflimmern (AFNET) untersuchten sie in den vergangenen Jahren über 12.000 Patienten mit Vorhofflimmern und schufen damit gemeinsam eine der weltweit größten Ressourcen zum Studium dieser Erkrankung. Nun ist dem AFNET in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus 48 internationalen Forschungszentren ein erneuter Durchbruch gelungen. Das Konsortium identifizierte das Gen KCNN3, in dem häufige Genvarianten das Risiko für Vorhofflimmern besonders bei jungen Menschen und Patienten ohne begleitende Risikofaktoren erhöhen. Die Forschungsergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.

Das sogenannte isolierte oder idiopathische Vorhofflimmern ist für viele Patienten besonders belastend. Die Betroffenen erkranken daran bereits in relativ jungen Jahren, ohne dass Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder eine Schilddrüsenerkrankung vorliegen. Anders als bei vielen anderen Herzerkrankungen können die Betroffenen daher durch Verhaltensänderungen den Verlauf der Erkrankung nicht nachhaltig beeinflussen. Da klassische Risikofaktoren keine Rolle spielen, gingen die Forscher von einem stärkeren Beitrag genetischer Risikofaktoren für das isolierte Vorhofflimmern aus. Dass das isolierte Vorhofflimmern tatsächlich eine stärkere genetische Komponente hat als das klassische Vorhofflimmern, zeigt nun unter anderem die Tatsache, dass für die Identifizierung des KCNN3 Gens bereits die Untersuchung von 1.335 Patienten ausreichend war. Für die Identifizierung des ZFHX3 Gens als Risikofaktor für das klassische Vorhofflimmern bei älteren Patienten mussten im vergangenen Jahr noch 3.413 Patienten untersucht werden.

Interessant sind auch die darüber hinausgehenden wissenschaftlichen Implikationen der Arbeit. Der Calcium-aktivierte Kalium leitende Kanal KCNN3 war bisher nur für Neurologen und Psychiater ein Begriff. Er spielt bei der Ausbildung von Aktionspotentialen an den Nervenzellen in bestimmten Gehirnregionen eine wichtige Rolle. Bisher wurde er vorwiegend im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen wie z.B. der Veranlagung zu Migräne beforscht. Nun wurde auch die Bedeutung dieses Kanals für das menschliche Herz und den Herzrhythmus entdeckt.

Mit den drei schon bekannten Genen waren vor der jetzigen Studie nur drei Gene verlässlich genomweit signifikant mit Vorhofflimmern assoziiert. Mit KCNN3 haben die Forscher nun ein viertes Gen hinzugefügt. Die Methode, die das weltweite Forscherkonsortium dabei einsetzte, sind die sogenannten genomweiten Assoziationsstudien (GWAS). Dabei werden alle ca. 2,5 Millionen natürlich vorkommenden häufigen Genvarianten im menschlichen Genom bestimmt. Die tatsächlich erkrankungsassoziierten Gene und ihre Varianten sind dann dadurch zu erkennen, dass sie bei den Betroffenen deutlich häufiger vorkommen als in der Allgemeinbevölkerung. Die Herausforderung für diese Methode liegt im Detail: Allein die logistische Koordinierung der acht Einzelstudien, die jeweils zwischen 146 und 468 Patienten zum Gesamtprojekt beitrugen, war ein großer Aufwand.

Perspektiven für die Zukunft

Vorhofflimmern ist einer der Hauptrisikofaktoren für Schlaganfall und damit Ursache für mindestens sieben Millionen Todesfälle pro Jahr weltweit. Es vererbt sich auch in Familien und führt zu einem etwa 2,5 – 5fach erhöhten Risiko bei Angehörigen ersten Grades. Schon länger vermutet man daher, dass genetische Unterschiede manche Menschen anfälliger machen können. Doch nun können diese Unterschiede im Genom lokalisiert und fassbar gemacht werden.
Die Forscher hoffen, dass sich aus den aktuellen wissenschaftlichen Ergebnissen einmal aussagekräftige Tests für die medizinische Diagnostik und Risikovorhersage ableiten lassen, auch wenn die derzeit bekannten Gene nur einige wenige Prozent der Gesamtvariabilität erklären. Schon jetzt tragen die Ergebnisse dazu bei, aufzuklären, wie genetische Unterschiede das Vorhofflimmern auf zellulärer und molekularer Ebene beeinflussen, um seine Ursachen zu verstehen. Letztlich könnten die Erkenntnisse in Zukunft neue Therapieformen ermöglichen.

 

 

Originalpublikation

Ellinor, P.T. et al., Common variants in KCNN3 are associated with lone atrial fibrillation, Nature Genetics 2010, advance online publication on February 21th, 2010. DOI: 10.1038/ng.537.

Sinner MF. et al.. The non-synonymous coding IKr-channel variant KCNH2-K897T is associated with atrial fibrillation: results from a systematic candidate gene-based analysis of KCNH2 (HERG). Eur Heart J. 29:907-914 (2008).

 

 


Pressekontakt:
Tanja Schmidhofer
Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Str. 22 · D-81675 München
Fon 089 . 4140 20 46
Fax 089 . 4140 49 29
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