50 Jahre Uniklinikum: Gute Ärzte fallen nicht vom Himmel

50 Jahre Uniklinikum: Gute Ärzte fallen nicht vom Himmel

Das TUM Medical Education Center

Ein guter Arzt und eine gute Ärztin müssen viel können: Die biochemischen Vorgänge im Körper verstehen und einem ängstlichen Kind eine Spritze geben. Die Anatomie des Menschen genau kennen und mit aufgeregten Angehörigen kommunizieren. Entscheidungen sorgfältig abwägen und in Sekundenschnelle handeln. Millimetergenau schneiden und mit dem Tod umgehen.

Damit die angehenden Mediziner das und noch viel mehr lernen, wurde Ende März der Masterplan Medizinstudium 2020 von der Politik verabschiedet. Er soll das anspruchsvolle Fach neu strukturieren, eine größere Praxisnähe und eine Stärkung der Allgemeinmedizin fördern sowie die Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern den Anforderungen der kommenden Medizinergeneration anpassen. Am Rechts der Isar stellt man sich den modernen Herausforderungen schon länger und leistet hierbei Pionierarbeit. Im Medical Training Center (MTC) erleben die Studierenden die Berufspraxis hautnah mit; das TUM Medical Education Center (TUM MEC) und der 2015 gegründete Lehrstuhl für Medizindidaktik, medizinische Lehrentwicklung und Bildungsforschung kümmern sich nicht nur um die tägliche professionelle Umsetzung der Lehre, sondern auch um drängende Zukunftsfragen. 

Bestmögliche Ausstattung

Der Lehrstuhl-Inhaber Prof. Pascal Berberat ist zugleich der Chef vom TUM MEC: „Unser Zentrum arbeitet in vier Teams für die Bereiche Studiengang, Training, Entwicklung und Forschung“, erklärt er. In einem neuen, 600 Quadratmeter großen Simulationszentrum werden die Studierenden ganz praktisch trainiert: „Sie lernen diverse Fertigkeiten, wie man zum Beispiel korrekt eine Wunde näht, wie man einen Tubus legt oder sogar, wie man laparoskopisch operiert. Wir versuchen hier aber insbesondere, einen Schwerpunkt auf das Meistern komplexer Situationen zu legen – zu Themen wie „akute Lebensgefahr“, „Hygiene“ oder „Stationsmanagement“.“ Dazu gibt es real eingerichtete Räume – einen OP-Saal, ein Zimmer auf der Intensivstation sowie ein normales Patientenzimmer. Schauspieler schlüpfen in die Rolle der Patienten und werden in zehnminütigen Szenarien von den Studierenden behandelt. Kameras und Mikrofone zeichnen alles auf für die anschließende Besprechung. „Wir machen eine Videoanalyse wie beim Fußball auch: Das ist gut gelaufen, das schlecht …“, erzählt Berberat.

Besonders stressige und fordernde Situationen werden mit Hilfe von Hightech-Puppen simuliert: So kann die Erstbehandlung eines schwerverletzten Menschen im Schockraum sehr realitätsnah geübt werden – dazu gehört auch die enge Zusammenarbeit mit Kollegen. „Viele unterschiedliche Personen und Professionen kommen im Schockraum zusammen: Chirurgen, Anästhesisten, Pfleger, Radiologen. Die Beteiligten müssen jetzt im Team funktionieren. Sie müssen ja ein Leben retten. Sie müssen wiederbeleben, den Atemweg sichern, aber sie müssen auch miteinander kommunizieren: Wer übernimmt jetzt die Führung, wer hört auf wen – und das interprofessionell“, beschreibt Pascal Berberat das Szenario, das schon beim Zuhören Stressreaktionen auslöst. Der Kurs findet im praktischen Jahr statt. Prinzipiell stirbt der Patient bei solchen Übungen nicht, sondern wird erfolgreich reanimiert, um den Studierenden eine positive Erfahrung mit auf den Weg zu geben. 

In neuen Kursen sollen hier allerdings nun auch andere Aspekte vermittelt werden: „Im zweiten Modul ist der Ablauf gleich, aber der Patient stirbt. Hier geht es nicht mehr um standardisierte Abläufe, sondern wir wollen anschließend mit den Studierenden besprechen: Was passiert da mit euch? Was müsst ihr jetzt tun? Den Totenschein ausstellen, mit Angehörigen sprechen, was natürlich sehr sensibel ist, aber es geht auch um die eigene Haltung. Was bedeutet das für mich, wie gehe ich damit um?“

Nicht nur für Studenten

Nicht nur die Studenten, sondern auch ausgebildete Ärzte und Ärztinnen werden vom TUM MEC trainiert. Denn anders als früher, als man dachte, dass ein guter Arzt auch automatisch ein guter Lehrer ist, sieht man dies heute differenzierter: Wer sich habilitiert, muss in Bayern eine 60-stündige medizindidaktische Fortbildung absolvieren. „Wir vermitteln den Habilitanden, wie man eine interaktive Vorlesung gestaltet, wie eine Präsentation aussieht, wie eine Vorlesung aufgebaut ist.“ Auch medizinspezifische Fragen werden behandelt: „Wie mache ich praktischen Unterricht? Wie mache ich Unterricht am Krankenbett? Wie bringe ich jemandem das Nähen von Wunden bei? Wie gestalte ich eine mündliche und wie eine praktische Prüfung?“ Das ist weiterhin durchaus als Pionierarbeit zu sehen, denn in ganz Deutschland gibt es nur vier Lehrstühle dieser Art und sie alle wurden erst in den letzten fünf Jahren gegründet

Einen Schwerpunkt seiner Arbeit legt Pascal Berberat auf Forschung und Entwicklung. „Entwicklung ist das entscheidende Bindeglied. Ich vertrete das Prinzip: Der Alltag muss die Forschung prägen, weil uns der Alltag die Herausforderungen und Probleme vorgibt. Das gibt uns die Fragestellungen für die Forschung. Und das, was wir in der Forschung herausfinden, sollten wir baldmöglichst in den Alltag bringen. Nur durch eine enge Verbindung mit der täglichen Lehrpraxis und Studiums-Organisation kommt ein solcher Lehrstuhl zur voller Wirkung.“

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