Coronakrise: Wann kommt die Impfung?

Coronakrise: Wann kommt die Impfung?

Mit globaler Kraft gegen die Coronavirus-Pandemie: Forschende auf der ganzen Welt designen Impfstoffe, testen vorhandene und entwickeln neue Medikamente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 und die Krankheit Covid-19. „Trotzdem werden wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben und rational damit umzugehen“, sagt Prof. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. „Ein wirksames Medikament wird schneller verfügbar sein als ein Impfstoff“, prognostiziert die Virologin. „Bis große Teile der Weltbevölkerung gegen SARS-CoV-2 geimpft sind und damit eine Herdenimmunität erreicht ist, wird es selbst unter idealen Bedingungen noch einige Zeit dauern.“ Die Direktorin der Institute für Virologie der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrum München gibt einen Überblick über die Impfstoffentwicklung und die Zukunftsaussichten der Coronakrise.

Prof. Ulrike Protzer, Direktorin der Institute für Virologie der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrum München

Prof. Ulrike Protzer, Direktorin der Institute für Virologie der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrum München

Bild: Kurt Bauer / TUM

Mehr als 120 Impfstoffprojekte angemeldet

Die WHO zählte Ende Mai 2020 mehr als 120 Impfstoffprojekte gegen SARS-CoV-2. Auch das Institut für Virologie am Klinikum rechts der Isar arbeitet an verschiedenen Impfstrategien mit. „Wir charakterisieren derzeit die Virus-Wirt-Interaktion. Wie sah die  Immunantwort von Patient*innen und Ausgeheilten aus, die das Virus ausschalten konnte? Das muss man genau verstehen, um wirksame und sichere Impfstoffe zu entwickeln“, erklärt Prof. Protzer. „Der Schwerpunkt unserer Forschung liegt auf der Entwicklung von Immuntherapien wie therapeutische Impfungen, T-Zell-Therapien oder antikörperbasierte Therapien für Infektionserkrankungen. Für das neuartige Coronavirus sind wir gerade in der Designphase eines proteinbasierten Totimpfstoffes.“

Impfstoffdesign: wirksam und sicher muss es sein

Wichtig ist das „targeted design“, so nennt man die zielgerichtete Entwicklung eines Impfstoffs. Dieser muss zuverlässig eine Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern, also die richtige – jedoch nicht krank machende – Immunantwort hervorrufen. Mehrere Impfstoffprojekte stecken bereits in der Phase der präklinischen Untersuchung am Tier. Das Impfstoffdesign hat häufig nur zwei Monate gedauert – das ist rasend schnell und dank neuer genetischer Methoden und des Wissens aus vorherigen Impfstoffprojekten zu älteren SARS- und MERS-Coronaviren heute möglich. Bis vor wenigen Jahren dauerte die Entwicklung einer neuen Vakzine 15 bis 20 Jahre.

Einige wenige der Impfstoffkandidaten haben sogar schon die erste von insgesamt drei Phasen der klinischen Studien erreicht und werden gesunden Freiwilligen verabreicht, um ihre Sicherheit zu testen. Diese Phasen dauern mindestens mehrere Monate und lassen sich aus Sicherheitsgründen nicht abkürzen.

Unterschiedliche Arten von Impfstoffen

Totimpfstoffe: Diese Art der Impfung kennt man schon lange, z.B. von Polio oder Hepatitis A. In den Impfstoffen ist das ganze, inaktivierte Virus enthalten. Problem: die Herstellung sehr großer Mengen von SARS-CoV-2-Viren in kurzer Zeit könnte schwierig werden, da umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen dafür nötig sind.

Rekombinante Impfstoffe mit Virusproteinen: Viele, sehr sichere Impfstoffe nutzen dieses Prinzip, z.B. gegen Tetanus oder Hepatitis-B. Ausgewählte Virusproteine werden mit Hilfe von Coli-Bakterien oder der Bäckerhefe in großen Mengen synthetisiert und nach Aufreinigung, versehen mit einem Wirkstoffverstärker (Adjuvans), verabreicht.

Lebendimpfstoffe mit Vektorviren: Vektorviren sind meist harmlose Viren, die selbst nicht krank machen. Diese Vektorviren kann man mit biotechnischen Mitteln als Coronavirus „verkleiden“, indem man Oberflächenproteine von SARS-CoV-2 einsetzt. Sie sind bisher im Menschen nur gegen das Ebolavirus im Einsatz.

Genbasierte Impfstoffe: Die Impfstoffe enthalten ausgewählte Gene des Virus in Form von mRNA oder DNA. Diese sollen im Körper ungefährliche Virusproteine bilden, die dann wie bei einem konventionellen Impfstoff einen Immunschutz bewirken. Die Methode ist neu. Derzeit gibt es noch keinen für den Menschen zugelassenen, genbasierten Impfstoff.

Im Idealfall mehrere unterschiedliche Impfstoffe

„2021 können mehrere unterschiedliche Impfstoffe in die letzte Phase der klinische Prüfung gehen“, sagt Protzer. „Idealerweise würde man das in vergleichenden Studien tun um schnell herauszufinden, welcher Impfstoff der beste ist.“ Das würde auch helfen, Produktionsstätten rund um den Globus bestmöglich zu nutzen. Parallel zur milliardenfachen Herstellung von Impfdosen müsse die nötige Infrastruktur für eine weltweite Impfkampagne geschaffen werden. Niedergelassene Ärzte in Deutschland und der Welt werden diese Mammutaufgabe nicht alleine stemmen können.

„Im besten Fall stehen Ende 2021 die ersten Impfungen zur Verfügung. Entweder als Injektion oder als Nasenspray“, wagt die Virologin den Blick in die Zukunft. Zuerst werde wohl medizinisches Personal und danach systemkritische Berufsgruppen wie Polizisten geimpft. Auf freiwilliger Basis, versteht sich. „Ich gehe davon aus, dass wir 2023 soweit sind, dass sich alle Menschen, die das wollen, auch impfen lassen können.“

Immunität gegen SARS-CoV-2

Wie lange eine Impfung wirksam sein wird, lasse sich noch nicht abschätzen. „Die Immunität gegen die normalen zirkulierenden Coronaviren, die Erkältungskrankheiten auslösen, hält ein bis zwei Jahre. Die Immunität gegen das erste SARS-Coronavirus war länger anhaltend, mindestens drei Jahre“, sagt Prof. Ulrike Protzer. In Experimenten mit Rhesusaffen konnte man keinen einzigen Affen nach überstandener Infektion mit SARS-CoV-2 erneut mit dem neuartigen Coronavirus infizieren. „Deswegen glauben wir als Wissenschaftler*innen, dass eine schützende Immunität entsteht – sowohl durch Antikörper als auch durch Immunzellen."

Phasen der Impfstoffentwicklung

  • Analyse des Virus: Was ruft Immunreaktionen hervor?
  • Design des Impfstoffes: Was muss enthalten sein?
  • Erprobung mit Tieren
  • Erprobung mit Freiwilligen:
    • Phase I: 10 bis 30 Menschen: Verträglichkeit, Sicherheit
    • Phase II: 50 – 500 Menschen: Verträglichkeit, Dosierung, Immunantwort
    • Phase III: > 1000 Menschen: Zuverlässigkeit des Schutzes
  • Zulassungsverfahren: Für die EU bei der EMA (Europäische Arzneimittel Agentur)
  • Impfkampagnen weltweit

Medikamente vor Impfung verfügbar

„Ein wirksames Medikament wird schneller verfügbar sein als ein Impfstoff“, sagt Prof. Protzer voraus. International laufen zahlreiche große Medikamentenstudien mit mehreren tausend Patient*innen. „Direkt antiviral wirkenden Medikamenten sollen die Vermehrung der Viren blockieren oder verhindern, dass sie in Lungenzellen eindringen.“ Sogenannte Immunmodulatoren sollen eine gefährliche Überreaktion des Immunsystems verhindern. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Medikamenten gegen Autoimmunkrankheiten, mit denen man gezielt einzelne Teile des Immunsystems herunterregeln kann. „Der Körper soll eine Immunantwort gegen die Viren entwickeln, um die Infektion zu bekämpfen“, sagt Prof. Protzer. In manchen Fällen ist die Immunreaktion aber so überschießend, dass sie mehr kaputt macht, als es die Viren könnten. „Diese Patient*innen finden sich häufig auf der Intensivstation wieder. Das müssen wir verhindern.“

 

Corona-Testungen am Klinikum rechts der Isar

Über 7000 PCR-Tests und über 5000 Antikörpertest hat das Institut für Virologie seit Anfang der Krise bereits geschafft. Mit dem Testen beschäftigt sind 12 Medizinisch-Technische-Assistent*innen und vier Ärzt*innen. Testungen können nur bei unseren Mitarbeiter*innen und unseren stationär behandelten Patient*innen durchgeführt werden.

Virus- und Antikörpertests

Auch bei den Virus- und Antikörpertests läuft die Weiterentwicklung auf Hochtouren. „Bereits jetzt stehen sehr schnelle und sichere Antikörpertests gegen SARS-CoV-2 zur Verfügung. Bei einem Prozent der Antikörpertests kommt es aber zu falsch-positiven Ergebnissen, weil sie Antikörper gegen die normal zirkulierenden Corona-Erkältungsviren nachweisen. Bei der geringen Durchseuchung, die wir aktuell haben, ist das problematisch“, sagt Prof. Protzer. Der PCR-Test (Polymerase-Kettenreaktion) zum Nachweis einer akuten Infektion dauert rund fünf bis sechs Stunden. „Der PCR-Test untersucht bestimmte Bereiche der viralen RNA. Wenn diese gefunden werden, ist das Ergebnis positiv“, erklärt Protzer. Schnellere Tests seien in der Entwicklung. Sie sollen genauso sensitiv und spezifisch sein, aber ohne die Vermehrungs- und Aufreinigungsschritte auskommen und daher Zeit sparen. In der Entwicklung befinden sich Antigen-Tests zum Nachweis einer akuten Infektion. Sie weisen nicht das Erbgut des Virus nach, sondern Virus-Proteine und sind daher weniger empfindlich als ein PCR-Test, dafür ähnlich einfach und schnell auszuführen wie ein Schwangerschaftstest. „Die Gefahr ist aber, dass man Infektionen übersieht“, warnt Protzer.

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