Den Schlaganfall in die Schranken weisen

Den Schlaganfall in die Schranken weisen

Am Montag, 29. Oktober 2018 ist Welt-Schlaganfall-Tag. Jedes Jahr erleiden 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Frauen sind aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung häufiger betroffen als Männer. Auf der Stroke Unit, der Schlaganfall-Station des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, kümmern sich Ärzte rund um die Uhr um Betroffene. Dr. Silke Wunderlich, Oberärztin auf der Stroke Unit, fordert Beteiligte auf, bei Symptomen sofort den Notruf 112 zu wählen. Jede Verzögerung der Therapie um vier Minuten senkt die Wahrscheinlichkeit um ein Prozent, dass der Betroffene den Schlaganfall überlebt und keine oder kaum Folgeschäden davonträgt.

Dr. Silke Wunderlich im Angehörigengespräch (Foto: M. Stobrawe)

Dr. Silke Wunderlich (Mitte), Oberärztin auf der Schlaganfall-Station am Klinikum rechts der Isar
Fotos: M. Stobrawe

Der Schlag trifft Patienten oft in den frühen Morgenstunden. Außenstehende erkennen den Notfall meist an zwei schlagartig auftretenden Symptomen: Lähmungserscheinungen auf einer Körperseite und Sprachstörungen. „Wer diese oder ähnliche Symptome bei einem Menschen erkennt, sollte sich auf keinen Fall scheuen, sofort den Notarzt zu verständigen. Lieber einmal zu viel anrufen als einmal zu wenig“, betont Dr. Silke Wunderlich.

Video-Interview: Wie erkennt man einen Schlaganfall?

 

Bessere Überlebenschancen

Wird der Patient in die Stroke Unit eingeliefert, analysiert das Ärzteteam in wenigen Minuten das Geschehen im Gehirn. Anschließend fällen die Ärzte die Entscheidung: Lysetherapie oder Rekanalisation. Bei einer Lysetherapie öffnet der Arzt das verstopfte Gefäß im Gehirn mithilfe eines Blutgerinnsel-auflösenden Medikaments. Bei der Rekanalisation, auch Thrombektomie genannt, führt der Arzt einen Katheter über die Leiste in die blockierte Gehirnarterie und entfernt das Blutgerinnsel mechanisch. „Im Klinikum rechts der Isar haben wir die Methode bereits seit 2008 angewendet. Wir waren auch an den wissenschaftlichen Studien beteiligt, die belegen konnten, dass die Thrombektomie einen Vorteil bringt“, berichtet Dr. Wunderlich. Von dieser Erfahrung profitieren die Patienten. Eine Thrombektomie kommt jedoch nur infrage, wenn das Blutgerinnsel in den großen hirnversorgenden Gefäßen steckt. Das trifft auf rund jeden zehnten Schlaganfall zu.

 

Eingang zur Stroke Unit am Klinikum rechts der Isar (Foto: M. Stobrawe)

Die Stroke Unit ist die hochmoderne Schlaganfall-Überwachungseinheit unserer Klinik für Neurologie

Neue Techniken machen den Weg frei

Die Schlaganfalltherapie entwickelt sich stetig weiter. Traditionell nutzen Mediziner einen Stent-Retriever, um das verstopfte Hirngefäß zu öffnen. Das Instrument besteht aus einem dünnen Draht, an dessen Ende sich ein Gittergeflecht befindet. Das Blutgerinnsel verfängt sich im Geflecht und kann so aus dem Gefäß herausgezogen werden. Neuer sind Aspirationskatheter. Sie saugen das Gerinnsel per Unterdruck aus dem Blutgefäß. „Wir setzen auch häufig Kombinationen aus beiden Verfahren ein“, erklärt die Münchner Oberärztin. Laut medizinischer Leitlinie sollte spätestens sechs Stunden nach Symptombeginn die Therapie per Katheter beginnen. „Neue Studien zeigen jedoch, dass einige wenige Patienten auch noch bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn erfolgreich behandelt werden“, betont Dr. Wunderlich. Mithilfe moderner bildgebender Verfahren kann das Stroke Unit-Team vorhersagen, wer zu diesen Patienten zählt.

Luft nach oben

Angesichts dieser Fortschritte, müsste dann nicht die Rate an Todesfällen und schweren Behinderungen nach einem Schlaganfall sinken? Tatsächlich ist die Zahl der Menschen, die an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben sind, in den letzten Jahren erheblich gesunken. Jedoch rechnen Gesundheitsforscher damit, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung die Zahl der Schlaganfälle in den kommenden Jahren deutlich zunimmt. In Deutschland zählt der Schlaganfall bei Frauen zu der zweithäufigsten und bei Männern zu der dritthäufigsten Todesursache. Bei beiden Geschlechtern ist er der häufigste Grund für Behinderung im Erwachsenenalter.

Liegen bestimmte Risikofaktoren vor, sollte der Betroffene mit einem Arzt über entsprechende Maßnahmen beraten. Zu den Risikofaktoren zählen: Bluthochdruck, Diabetes, erhöhte Cholesterinwerte, Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel und erhöhter Alkoholkonsum. Laut einer Analyse der Daten von über 13.000 Schlaganfallpatienten in 32 Ländern sollen neun von zehn Schlaganfällen direkt oder indirekt mit dem Lebensstil zusammenhängen.

Doch nicht nur der Einzelne, auch die Gesellschaft und die Politik sind gefordert. So listete ein internationales Forscherteam im Oktober 2018 im Fachmagazin The Lancet als wichtige Maßnahmen zur Schlaganfallprävention die Kontrolle des Tabakkonsums per Gesetz, gesunde Städte mit Platz für Spaziergänger und Radler, grüne Plätze, saubere Luft und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Alles Maßnahmen, die es den Menschen leichter machen, gesund zu leben und sich ausreichend zu bewegen.

An Bewegung mangelt es Dr. Silke Wunderlich nicht. An stressigen Tagen zählt ihr Schrittzähler schon mal 15.000 Schritte. Wenn sie sich zum Welt-Schlaganfall-Tag etwas wünschen könnte? „Ich sehe jeden Tag, wie ein Schlaganfall ein Leben dramatisch verändern kann. Daher wünschte ich, dass sich Menschen mit Risikofaktoren stärker damit beschäftigen, wie sie ihr Risiko verringern können. Sei es, indem sie mithilfe des Hausarztes ihren Blutdruck einstellen, ihre Medikamente regelmäßig nehmen oder sich mehr bewegen.“

So können Sie Ihr Schlaganfallrisiko senken

Gesunder Lebensstil:

  • Regelmäßige Bewegung
  • Gesundes Gewicht
  • Wenig emotionaler Stress
  • Ausreichender Schlaf
  • Gesunde Ernährung (z.B. mediterrane Kost mit viel Gemüse, regelmäßig Fisch und wenig Fleisch)
  • Kein Nikotin
  • Vermeidung von Passivrauch
  • Wenig Alkohol
     

Kontrolle von Risikofaktoren:

  • Senkung von Bluthochdruck
  • Blutverdünnung bei bestehendem Vorhofflimmern
  • Senkung zu hoher Cholesterinwerte
  • Behandlung eines Typ-2-Diabetes
     

Was das Risiko nicht senkt: Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralien, Fischöl-Kapseln

 

Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 

Klinik und Poliklinik für

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