„Ein großer Gewinn an Lebensqualität“ - zum Tag der Organspende (5. Juni)

„Ein großer Gewinn an Lebensqualität“ - zum Tag der Organspende (5. Juni)

Rund 9200 Menschen stehen in Deutschland auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die meisten von ihnen benötigen eine Niere. Zum Tag der Organspende am Samstag (5. Juni) erklärt Privatdozent Dr. Volker Aßfalg, Chirurg und Leiter Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum rechts der Isar in München, was Patienten über die Transplantation wissen müssen – und wie eine solcher Eingriff das Leben von Betroffenen verbessern kann. 

Herr Dr. Aßfalg, seit über 35 Jahren werden am Klinikum rechts der Isar Transplantationen durchgeführt. Inwiefern profitieren Patienten von dieser langjährigen Erfahrung?

Transplantationen haben am Klinikum rechts der Isar Tradition. Doch neben der langjährigen Erfahrung ist es in der Transplantationsmedizin wichtig, mit der Zeit zu gehen und für Patienten die modernsten und besten Operationsverfahren anzubieten. Und das tun wir. Seit 2017 zum Beispiel führen wir Nieren-Lebendspenden komplett minimal invasiv über die Schlüsselloch-Technik und damit mit nur kleinen Schnitten durch. Für Nierenspender ist das eine besonders schonende OP-Methode. 

Wie viele Transplantationen führen Sie jährlich am Klinikum rechts der Isar durch? 

Pro Jahr transplantieren wir etwa 45 Nieren und rund drei Bauchspeicheldrüsen (Pankreas). Noch vor 20 Jahren waren es fast doppelt so viele. Doch die Zahl der Transplantationen ist in Deutschland leider in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, weil es zu wenig Spenderorgane gibt. So sterben in Deutschland jeden Tag drei bis vier Menschen, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. Bei rund einem Drittel der am Klinikum rechts der Isar transplantierten Nieren handelt es sich um Organe von Lebendspendern. 

Wann ist eine Transplantation erfolgreich?

Ein Maßstab dafür ist etwa, wie lange ein transplantiertes Organ funktioniert. Das hängt auch davon ab, wie gut Transplantat und Empfänger zusammenpassen, oder wie lange ein Transplantat nach dem Tod des Spenders unterwegs zum Empfänger war. Im Durchschnitt ist eine transplantierte Niere rund 12 bis 15 Jahre lang erfolgreich im Einsatz. In der Transplantationsmedizin gilt das erste Jahr als kritische Phase. Studien haben gezeigt: Wenn eine transplantierte Niere nach einem Jahr noch gut arbeitet, ist das eine gute Prognose dafür, dass sie auch länger funktioniert. Wir am Klinikum rechts der Isar erreichen da sehr gute Werte. Bei uns funktionieren nach einem Jahr über 98 Prozent der transplantierten Nieren. 

Wie verändert die Transplantation das Leben eines Patienten?

Über 70 Prozent der Patienten berichten nach einer Nierentransplantation, dass sie sich leistungsstärker fühlen und mehr Kraft haben. Ein großer Gewinn an Lebensqualität ist, dass sie nicht mehr dreimal pro Woche zur Dialyse müssen. 

Kommt eine Transplantation für jeden Patienten infrage?

Nein, nicht jeder kommt auf die Warteliste für ein Spenderorgan. Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen wie Krebs oder einer aktiven Infektion sind von einer Transplantation ausgeschlossen. Auch Alkoholismus ist ein Ausschlusskriterium. Genauso wie „Incompliance“. So bezeichnen wir in der Medizin das Verhalten von Patienten, die nicht zuverlässig ihre Medikamente einnehmen. Auch bei Älteren ab Mitte 70 wägen wir sehr gut ab, ob sie von einer Nierentransplantation wirklich profitieren. Oder ob eine OP nicht das größere Risiko ist. Denn in dem Alter haben Dialyse und Transplantation die gleiche Auswirkung auf die Lebenserwartung. Der individuelle Mensch steht bei diesen manchmal nicht ganz einfachen Entscheidungen im Mittelpunkt. 

Wie oft passiert es, dass das transplantierte Organ abgestoßen wird?

Statistisch gesehen sind ein Viertel bis ein Drittel der Patienten in der frühen Phasen nach der Transplantation von einer Abstoßung betroffen. Meist ist eine solche akute Abstoßung jedoch gut behandelbar. Die chronischen Abstoßungen, die unbemerkt und im Hintergrund über die Jahre ablaufen, sind dafür verantwortlich, dass die transplantierten Nieren nicht endlos funktionieren. 

Muss in so einem Fall die transplantierte Niere dann wieder entfernt werden?

Nein, nicht zwangsläufig. Eine Niere kann abgestoßen werden, wenn der Patient vergisst, die Immunsuppression einzunehmen. Die transplantierte Niere wird aber nur dann entnommen, wenn sie Probleme macht. Wenn es etwa zu Blutungen kommt oder einer Infektion im Transplantat. Aber ansonsten kann auch eine nicht funktionierende Niere im Körper belassen werden. Der Patient muss dann allerdings wieder an die Dialyse. 

Haben Sie selbst einen Organspendeausweis in der Geldbörse?

Auf jeden Fall! Und seit ein paar Jahren halte ich mit großer Freude Vorträge in Schulen, um das Thema Organspende auch bei jungen Leuten bekannter zu machen. Da bekomme ich tolle Rückmeldungen. Es ist für Jugendliche keinesfalls zu früh, sich damit auseinanderzusetzen.

Foto: Privatdozent Dr. Volker Aßfalg (Foto: Michael Stobrawe, Klinikum rechts der Isar)

 

Patient Josef Rossak über seine Transplantation am Klinikum rechts der Isar: „Ich habe mich einfach nur auf die Niere gefreut“

Mehr als 2500 Nieren- und Nieren-Pankreas-Transplantationen wurden seit 1985 am Universitätsklinikum rechts der Isar in München durchgeführt. Josef Rossak, 69, aus Marktl am Inn ist einer der vielen Patient*innen, denen seither am interdisziplinären Transplantationszentrum TransplanTUM geholfen werden konnte – und das sogar schon zum zweiten Mal: Rossak, seit fast 30 Jahren nierenkrank, bekam seine erste Spenderniere 1995. Fast 19 Jahre tat sie ihren Dienst, also viel länger als die 12 bis 15 Jahre, die eine Spenderniere im Schnitt funktioniert (siehe Interview). Danach musste Rossak erneut zur Dialyse. Dreimal pro Woche, je vier Stunden – für ihn eine Tortur. 

Bis am 15. Januar 2021 nach Mitternacht der Anruf kam, der ihm ein neues Leben schenken sollte: „Wir haben eine Niere für Sie. Kommen Sie bitte so schnell wie möglich nach München“, hieß es. Es war das Transplantationszentrum des Klinikums rechts der Isar. Und Rossak, der trotz der langen Wartezeit „immer Hoffnung gehabt“ hat, war bereit. Mit dem Taxi fuhr er die rund 100 Kilometer ins Klinikum. War ihm beim ersten Mal noch mulmig, wusste er dieses Mal schon, was ihn erwartet. „Ich habe mich einfach nur auf die Niere gefreut“, sagt er.

„Sie bekommen eine ganz schöne Niere“, gab ihm Nephrologe Prof. Dr. Lutz Renders, Leiter des Nieren- und Nieren- Pankreas-Transplantationsprogrammes am Klinikum rechts der Isar, mit auf den Weg in den OP-Saal. Was er meinte: Die Gefäße der Spenderniere sind nicht zu sehr verkalkt, das Gewebe weist keine Zysten auf. Zwei Stunden operierte das Team um die Chirurgen Dr. Volker Aßfalg und Dr. Dr. Daniel Hartmann - so lange dauert eine Transplantation meist. „Die OP war so, wie man sie sich wünscht“, sagt Dr. Volker Aßfalg. „Die Niere hat sofort funktioniert.“ 

Auch die Genesung läuft auf eine Weise, die Dr. Aßfalg als „Idealfall“ bezeichnet: Patienten können dann „bereits am ersten Tag nach der OP aufstehen und ein paar Schritte gehen. Wenn Katheter und Drainage am 3. oder 4. Tag rauskommen, sind sie meist mobil und können sich auf dem Gang bewegen“. Nach 13 Tagen wird Rossak aus dem Klinikum entlassen, kommt kurz nach Hause, dann für fünf Wochen zur Reha. 

Fragt man ihn heute, ein halbes Jahr nach der OP, ob es ihm gut gehe, antwortet er fröhlich: „Sehr gut sogar!“ Von wem er seine neue Niere bekommen hat, weiß Rossak nicht - Spender bleiben anonym. Er weiß nur, dass das Organ von einer Frau stammt. Rossak denkt jeden Tag an sie. Am 15. Januar 2022 will er, der gläubige Katholik, eine Messe für sie lesen lassen. Aus Dankbarkeit. Denn dann jährt sich der Tag, an dem sie ihm ein neues Leben geschenkt hat.

 

PD Dr. Volker Aßfalg, Chirurg und Leiter Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum rechts der Isar in München.

Beteiligte Fachbereiche und Kliniken: 

Interdisziplinäres

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