Frühere Diagnose von Nierenerkrankungen und Krebs durch MRT-Bildgebung des pH-Werts

Frühere Diagnose von Nierenerkrankungen und Krebs durch MRT-Bildgebung des pH-Werts

Den pH-Wert im Körper sichtbar zu machen, könnte helfen, Diagnosen für Nierenerkrankungen und Krebs früher und genauer zu stellen und schneller zu beurteilen, ob eine Therapie anschlägt. Bisher fehlt jedoch die Möglichkeit, dies im klinischen Alltag nicht-invasiv zu messen. Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben ein Molekül für die Bildgebung mit Magnetresonanztomographie identifiziert mit dem sie das Säure-Basen-Verhältnis in Nieren und Tumoren darstellen können. Das Molekül kommt in der Natur in Tulpen vor und hat nach ersten Erkenntnissen deutliche Vorteile gegenüber bislang erprobten Substanzen.

„Bei Tumoren korreliert die Aggressivität, also das Potenzial eines Tumors sich auszubreiten und den Körper weiter anzugreifen, oft stark mit einem veränderten Stoffwechsel. In der Umgebung von Tumorzellen kann das Gewebe sehr stark angesäuert sein. Dies hilft ihnen, sich gegen gesunde Zellen durchzusetzen und weiter zu wachsen“, sagt Franz Schilling, Professor für Biomedizinische Magnetresonanz. Um solche Auswirkungen von Stoffwechselprozessen im Körper sichtbar und messbar zu machen und so für die Diagnostik nutzen zu können, arbeiten er und sein Team an Molekülen, welche die Bildgebung des pH-Wertes im Körper ermöglichen.

Nun haben die Forschenden ein Molekül namens Z-OMPD für die MRT-Bildgebung identifiziert, das sie im Labor herstellen können. Dieses zeigt in Versuchen mit Mäusen und Ratten besonders gute Eigenschaften für die Bildgebung. Um es im MRT sichtbar zu machen, wird es an zwei Stellen mit Kohlenstoff-13 markiert. Anders als der deutlich häufiger vorkommende Kohlenstoff-12 ist Kohlenstoff-13 magnetisch und erzeugt ein Signal im MRT. Da dieses jedoch nur schwach ist, wird es noch in einem Prozess verstärkt, der Hyperpolarisation genannt wird. Kohlenstoff-13 ist nicht radioaktiv und erzeugt keine Strahlenbelastung für Patient:innen.

Molekül kommt in Tulpen vor

„Erst kürzlich wurde parallel entdeckt, dass Z-OMPD in der Natur in Tulpen hochkonzentriert vorkommt. Zudem wird vermutet, dass diese Substanz auch in exobiologischen Prozessen auf interstellaren Asteroiden auftritt und somit bereits grundsätzlich biokompatibel ist“, sagt Martin Grashei, einer der beiden Erstautoren der Studie.

„Für die Bildgebung ist einer der größten Vorteile dieses Moleküls die längere magnetische Halbwertszeit im Vergleich zu vielen anderen hyperpolarisierten Molekülen. Das bedeutet, wir sehen das Signal länger im magnetischen Feld, wodurch wir eine höhere Bildqualität erreichen“, sagt Pascal Wodtke, auch Erstautor der Studie.

Vorteile für Bildgebung der Niere

Zusätzlich zum Einsatz in der Onkologie könnte Z-OMPD sich insbesondere für die Bildgebung der Niere eignen. Jeden Tag filtern unsere Nieren rund 1500 Liter Blut und scheiden schädliche und nicht mehr benötigte Substanzen aus. Bei Nierenerkrankungen kann der pH-Wert im Nierensystem beeinträchtigt sein. Mit Z-OMPD könnte dies in einer MRT-Untersuchung frühzeitig sichtbar gemacht und die entsprechenden Stellen genauer untersucht werden.

Besonders nützlich für den Einsatz in der Niere ist zudem, dass Z-OMPD es in derselben Messung ermöglicht, auch die Gewebedurchblutung und die Nieren-Filtrationsrate nicht-invasiv zu messen und quantitativ auszuwerten. Dies liefert weitere Informationen um Krankheitsbilder genauer eingrenzen zu können. Bisher gibt es keine nicht-invasive Untersuchungsmethoden zur Messung des pH-Wertes, die im klinischen Alltag eingesetzt werden. Für Durchblutung und Filtration kommen oft radioaktiv-markierte Substanzen oder Gadolinium-haltige Kontrastmittel zum Einsatz, die beide oft mit Komplikationen und Risiken für die Patient:innen verbunden sind.

Die Filtrationsrate mittels Bildgebung im MRT zu messen bietet zudem den Vorteil, dass die einzelnen Nieren spezifisch untersucht werden können. Dagegen ist bei einer Filtrations-Messung beispielsweise über die Blutwerte nur eine Aussage über beide Nieren zusammen möglich.

Stabile Messungen

Für die Untersuchung des pH-Werts werden für die Bildgebung markierte Moleküle ins Gewebe injiziert und dienen als Sensor. Je nach pH-Wert ändert sich die kernmagnetische Resonanzfrequenz der Moleküle. Diese messen Forschende und können so den pH-Wert bestimmen.

Die Frequenz kann sich jedoch auch durch andere Effekte verschieben, zum Beispiel durch Schwankungen des MRT-Magnetfelds. Das Prinzip ist ähnlich wie bei einer verstimmten Geige, die mit Hilfe eines Stimmgeräts erst wieder richtig eingestellt werden muss. Daher injizieren Forschende meist eine zweite Substanz als Referenz, die stabil gegenüber Veränderungen des pH-Werts ist. So lassen sich unerwünschte Effekte herausrechnen. „Bei Z-OMPD ist dies nicht nötig. Das Molekül hat eine interne Referenz, enthält also selbst schon ein zweites Signal, das beim Injizieren stabil bleibt“, sagt Franz Schilling.

Die Vorteile der Bildgebung mit Z-OMPD konnten bei Mäusen und Ratten bereits gezeigt werden. Nun arbeiten die Forschenden daran, die Methodik weiter zu verbessern, um sie in klinischen Studien testen zu können. Diese neue Technik zur Bildgebung des pH-Werts könnte dazu beitragen Diagnosen früher und genauer zu stellen. So könnten Verdachtsfälle von Nierenproblemen schneller abgeklärt oder transplantierte Nieren nach der Implantation gemonitort werden. Die Methode könnte zudem helfen, den Erfolg von Tumortherapien vor der Behandlung besser vorherzusagen und danach schneller zu beurteilen.
 

Publikation:

Martin Grashei, Pascal Wodtke, Jason G. Skinner, Sandra Sühnel, Nadine Setzer, Thomas Metzler, Sebastian Gulde, Mihyun Park, Daniela Witt, Hermine Mohr, Christian Hundshammer, Nicole Strittmatter, Natalia S. Pellegata, Katja Steiger, Franz Schilling: Simultaneous Magnetic Resonance Imaging of pH, Perfusion and Renal Filtration using Hyperpolarized 13C-labelled Z-OMPD, Nature Communications (2023), DOI: doi.org/10.1038/s41467-023-40747-3

 

Prof. Franz Schilling (li.), Rudolf Mößbauer Tenure Track Assistant Professor am Klinikum rechts der Isar der TUM und Principal Investigator am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) mit Martin Grashei, einer der beiden Erstautoren der aktuellen Studie. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Prof. Franz Schilling (li.), Rudolf Mößbauer Tenure Track Assistant Professor am Klinikum rechts der Isar der TUM und Principal Investigator am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) mit Martin Grashei, einer der beiden Erstautoren der aktuellen Studie. Foto: Kathrin Czoppelt, Klinikum rechts der Isar

Weitere Informationen

Prof. Franz Schilling ist Rudolf Mößbauer Tenure Track Assistant Professor am Klinikum rechts der Isar der TUM und Principal Investigator am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE), einem integrativem Forschungsinstitut der TUM. Am MIBE entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Informatik gemeinsam Verfahren zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten reichen von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten oder Computerprogrammen.

Das Projekt wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB824, durch das Junge Kolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union und durch das Programm „Quantum Technologies – from Basic Research to Market“ / „QuE-MRT“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

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