Interview: Unsere Arbeit auf einer Covid-Intensivstation

Interview: Unsere Arbeit auf einer Covid-Intensivstation

Ihr Job ist immer wichtig – aber während der Corona-Pandemie ist er es ganz besonders: Den Pflegekräften und Ärzt*innen in Krankenhäusern und Pflegeheimen fliegen gerade die Herzen nur so zu. Wie es ist, auf einer Covid-Station zu arbeiten, erzählt Carolin von Ritter-Zahony (34) im Interview. Sie ist Fachpflegekraft für Intensivpflege und Anästhesie und Stationsleiterin der Covid-Intensivstation R3a im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

 

Carolin von Ritter-Zahony (34) ist Fachpflegekraft für Intensivpflege und Anästhesie und Stationsleiterin der Covid-Intensivstation R3a im Klinikum rechts der Isar

Frau von Ritter, wie geht es Ihnen und Ihren Kolleg*innen auf einer von zwei Covid-Intensivstationen am Klinikum rechts der Isar?

Carolin von Ritter: Wir haben 14 Patient*innen und sind damit voll belegt. Die meisten liegen im künstlichen Koma und werden beatmet. Es ist für uns alle eine sehr herausfordernde Situation mit dieser neuen Krankheit, über die man noch nicht viel weiß. Wir erfinden uns selber täglich neu und versuchen, unsere Konzepte möglichst gut darauf anzupassen.

 

Welche Schwierigkeiten gibt es denn zum Beispiel?

Carolin von Ritter: Weil wegen der Infektionsgefahr beide Türen zu den Patientenzimmern – auf Intensivstationen nennt man das Boxen – geschlossen sein müssen, hören wir die Signaltöne der Geräte nicht, wenn wir mal kurz nicht im Zimmer sind. Eine Kollegin hatte jetzt die super Idee, Babyphone in die Boxen zu stellen. Problem gelöst! Natürlich ist es nicht immer so einfach.

 

Sind Sie personell gut besetzt?

Carolin von Ritter: Pro Schicht sind wir sieben Fachpflegekräfte für Intensivpflege und ein Springer – damit sind wir gut aufgestellt. Eine Pflegekraft für zwei Intensivpatienten ist ohnehin Vorschrift. Der Springer erleichtert uns die Arbeit sehr, weil er uns Material bringt, so dass wir bei unseren Patienten bleiben können und uns nicht jedes Mal ein- und ausschleusen müssen, um etwas zu holen. So können wir auch sparsamer mit der Schutzkleidung umgehen.

 

Wie hoch ist denn der Verbrauch an Schutzkleidung pro Pflegekraft und Schicht?

Carolin von Ritter: Das ist recht unterschiedlich und hängt davon ab, wie häufig man den Raum verlassen muss, und sei es nur kurz. Wenn wir ressourcenschonend arbeiten können, braucht eine Pflegekraft pro Schicht schätzungsweise zehn Paar Handschuhe – sie können bis zu fünf Mal desinfiziert werden – fünf bis sieben Schutzkittel und eine FFP2-Maske. Ärztinnen und Ärzte brauchen aber deutlich mehr, weil sie von Patient zu Patient gehen, während sich Intensivpflegekräfte in ihrer Schicht um zwei Patienten kümmern.

 

Ein interdisziplinäres Expertenteam bereitet das Klinikum rechts der Isar seit Ende Januar auf die Coronavirus-Pandemie vor. Fühlen Sie sich von Ihrem Arbeitgeber gut unterstützt?

Carolin von Ritter: Ja, absolut. Ich muss wirklich sagen, dass es bei uns sehr gut läuft. Wir fühlen uns umsorgt und geschützt. Die Vorbereitungen auf allen Ebenen sind durchdacht. Wir haben viele Hilfsangebote für Mitarbeiter*innen, ein tolles Catering für die Covid-Stationen und stehen im guten Dialog mit unseren Pflegedienstleitungen. Der Informationsfluss passt, das ist ganz wichtig und ermöglicht schnelles Handeln in einer für alle neuen Situation.

 

Die Arbeit ist ja nicht ohne Risiko, Sie könnten sich trotz Schutzausrüstung mit dem Coronavirus anstecken. Haben Sie Angst?

Carolin von Ritter: Angst habe ich keine. Aber großen Respekt – obwohl ich es gewohnt bin, mit infektiösen Patienten zu arbeiten. Wir alle halten uns wirklich akkurat an die Hygienevorschriften. Natürlich gehe ich im Moment nicht meine Oma besuchen. Aber das geht ja uns allen so. Und ich kann verstehen, dass sich Kolleg*innen, die mit Kindern oder Risikopersonen im selben Haushalt leben, mehr Sorgen machen als ich. Ich bin sehr vorsichtig, falls ich mich anstecken sollte und es nicht gleich bemerke. Ich arbeite und gehe ab und zu einkaufen. Ansonsten bleibe ich zu Hause.

 

 

"Ich habe keine Angst. Aber großen Respekt – obwohl ich es gewohnt bin, mit infektiösen Patienten zu arbeiten", sagt Carolin von Ritter über ihre Arbeit auf einer von zweien Covid-Intensivstationen am Klinikum rechts der Isar

"Ich habe keine Angst. Aber großen Respekt – obwohl ich es gewohnt bin, mit infektiösen Patienten zu arbeiten", sagt Carolin von Ritter über ihre Arbeit auf einer von zweien Covid-Intensivstationen am Klinikum rechts der Isar

Wie geht Ihr Team mit dem Risiko um?

Carolin von Ritter: Der Zusammenhalt im Team ist wirklich sehr, sehr gut. Alle sind hilfsbereit und voll motiviert. Ich habe meinen Leuten angeboten, dass sie sich versetzen lassen können, wenn jemanden das Risiko zu hoch ist, auf einer Covid-Intensivstation zu arbeiten. Aber das wollte niemand. Alle helfen mit.

 

Deutschlandweit werden Pflegekräfte zurzeit als Helden gefeiert und beklatscht. Wie finden Sie das?

Carolin von Ritter: Ich finde es schön, dass wir so viel Wertschätzung erfahren. Diese Wertschätzung sollten wir weitergeben an andere. Jeder Mensch ist von der Coronakrise betroffen. Wir alle sind systemrelevant. Sehr viele Menschen in Deutschland leisten gerade hervorragende Arbeit. Wir tun alle unseren Job – auch wir Pflegekräfte. Pflege ist natürlich wichtig für eine Gesellschaft, aber das war sie schon immer. Ich empfinde uns Pflegende nicht als Helden. Auch nicht als Opfer. Wir brauchen kein Mitleid.

 

Wie sehen Sie sich selbst?

Carolin von Ritter: Ich kann wirklich nur für mich sprechen. Natürlich hätte ich zu Beginn meiner Berufstätigkeit nicht im Traum daran gedacht, mal eine Intensivstation mit Covid-Patienten zu leiten. Aber eine Tätigkeit in der Pflege war schon immer mit viel Verantwortung verbunden. Das weiß ich, wenn ich mich für diesen Beruf entscheide. In einer Krisensituation für Kranke oder Verletzte zu sorgen, gehört zum Anforderungsprofil unseres Berufes.

 

Ihre Botschaft aus einer Covid-Intensivstation in die Welt?

Carolin von Ritter: Haltet Euch an die Regeln und nehmt die Corona-Pandemie ernst. 95 Prozent der Infizierten haben einen milden Verlauf. Aber fünf Prozent erkranken schwer. Und darunter sind nicht nur Risikopersonen. Wir haben auch 30-Jährige ohne Vorerkrankungen auf Intensiv. Das Gerede um die Risikogruppen finde ich ohnehin entsetzlich.

 

Inwiefern?

Carolin von Ritter: Auch Menschen mit Vorerkrankungen wollen nicht an Covid sterben! Ich würde das Durchschnittsalter auf unserer Intensivstation auf 60 Jahre schätzen. Das ist kein Alter heutzutage.

 

Was belastet Sie persönlich im Moment am meisten?

Carolin von Ritter: Das Besuchsverbot finde ich wirklich traurig, obwohl es nötig ist. Ehepartner und Kinder, die nicht zu ihren schwer kranken oder sterbenden Liebsten können. Meine Kolleg*innen und ich versuchen das ein bisschen aufzufangen, in dem wir engen Kontakt zu den Angehörigen halten und alles für unsere Patienten tun – fachlich, pflegerisch und menschlich. Das hat mir meine Oma schon als junge Krankenschwester immer gesagt: „Carolin, vergiss nicht mit den Leuten zu reden.“ Ich kann nicht die Liebe eines nahen Verwandten ersetzen, aber ich kann Zuwendung geben und menschliche Wärme in einer schweren Zeit.

 

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