Kommunikation hilft - auch im Notfall

Kommunikation hilft - auch im Notfall

Simulationstraining zum Umgang mit Zwischenfällen auf der Intensivstation

Ärzte und Pflegekräfte auf Intensivstationen sind regelmäßig mit Notfällen konfrontiert. Sei es, dass ein Patient eine allergische Reaktion zeigt, einen septischen Schock erleidet oder reanimiert werden muss. In solchen lebensbedrohlichen Situationen müssen sie einen kühlen Kopf bewahren und richtig reagieren. Dafür helfen Simulationstrainings, in denen solche Herausforderungen gelöst werden  ̶  berufsgruppenübergreifend und mit der Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen. Seit fast fünf Jahren gibt es das Simulationszentrum der Fakultät für Medizin, wo Ärzte und Pflegekräfte gemeinsam an solchen Übungen teilnehmen können. Neu ist, dass solche interprofessionellen Trainings direkt auf der Intensivstation stattfinden.

Auf der Intensivstation K1a: Ein Zimmer am Ende des Ganges. Ein Assistenzarzt und zwei Pflegekräfte stehen darin. Dort übergibt ihnen ein Arzt aus der Neurochirurgie eine Patientin mit Sauerstoffmaske: „Das ist Frau Müller, sie wurde vor zwei Tagen an der Wirbelsäule operiert. Jetzt wird sie zunehmend respiratorisch insuffizient.“ Das Gesicht der Patientin ist leicht bläulich.

Der Assistenzarzt greift zum Telefon und verständigt die Oberärztin: „Wir haben einen Notfall, wir brauchen mehr Manpower.“ Eine Pflegekraft legt der Patientin einen Clip an den Finger, um die Sauerstoffsättigung zu messen. Über Lautsprecher kommt die Info: „Blutdruck 60/40“. Die Oberärztin betritt das Zimmer. Sie fragt nach der Beatmungsmaske, dirigiert die Kollegen an ihre Positionen, fordert Medikamente an. Der Assistenzarzt beatmet die Patientin mit einem Beutel: „Kann mir jemand helfen, ich schaff es nicht alleine.“ Die Sauerstoffsättigung der Patientin nimmt weiter ab. Die Oberärztin lässt alles zum Intubieren vorbereiten. Dabei wird ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt, um die Atemwege der Patientin offenzuhalten.

Währenddessen nebenan im Kontrollraum: Zwei Techniker sitzen am Computer und steuern Atmung, Herzschlag und Blutdruck der Patientin, die „nur“ eine Simulationspuppe ist. Die bläuliche Gesichtsfarbe war von LED-Lämpchen verursacht. Zwischendurch geben sie dem Teilnehmern Hinweise über Lautsprecher. Die Anästhesisten PD Dr. Stephan Kratzer und Dr. Dominik Hinzmann leiten die Schulung. Sie schauen abwechselnd auf den Bildschirm, wo mit drei Kameras verschiedene Perspektiven aus dem Intensivzimmer übertragen werden, und auf ihre Debriefing-Liste, wo sie notieren, was ihnen auffällt.

Aus Fehlern lernen per Video-Analyse

Zurück im Simulationsraum: Nach etwa zehn Minuten ist die Patientin intubiert, ihre Werte sind stabil. Über Lautsprecher erklären die Instruktoren das Szenario für beendet. Die vier Teilnehmer gehen über den Flur in den Debriefing-Raum. Dort erwartet sie die Videoaufzeichnung ihres „Einsatzes“, die sie nun Szene für Szene ansehen und mit den Kursleitern und den übrigen Trainingsteilnehmern besprechen.

Insgesamt machen heute zwölf Personen das Training mit, sechs Ärztinnen und Ärzte und sechs Pflegekräfte. Sie alle arbeiten auf einer der Intensivstationen des Klinikums und kennen die Situationen aus ihrem Arbeitsalltag. Sie wollen trainieren, bei so genannten Zwischenfällen optimal zu reagieren. Ganz wesentlich dafür ist eine klare Kommunikation und Zusammenarbeit im Team. Sie müssen schnell einschätzen, ob ihre Ressourcen für die Situation ausreichen oder sie Unterstützung brauchen.

Möglich ist die realitätsnahe Simulation direkt auf der Intensivstation, weil auf der neu eingerichteten Station aufgrund von Pflegekräftemangel noch nicht alle Betten in Betrieb gegangen sind. Zu Beginn des Trainingstages haben die Anleiter den Teilnehmern erklärt, wie Zwischenfälle entstehen und dass Simulationstrainings ursprünglich aus der Luftfahrt kommen, wo schwierige Situationen schon lange im geschützten Rahmen durchexerziert werden. Außerdem wurden die Teilnehmenden mit den Grenzen der Simulation vertraut gemacht. Denn die Puppe hat zwar Vitalparameter wie Puls, Atmung und Blutdruck, sie schwitzt aber nicht und wird auch nicht blass.
Abgesehen von dieser Einführung wissen die Teilnehmer aber nicht, welcher medizinische Notfall auf sie zukommt. Sie müssen sich wie auch in der Realität blitzschnell als Team zusammenfinden und die Situation in den Griff bekommen.

Höchst realistische Simulation

Am Ende des Tages sind die Teilnehmer sehr zufrieden mit dem Training: „Ich fand es super, dass wir das Training direkt auf der Intensivstation machen konnten. Lustigerweise ist die Simulation viel realistischer, als man es sich vorher vorstellt“, sagt Tanja Hammer, stellvertretende Stationsleitung der Station L1a.

Ein Assistenzarzt ergänzt: „Das Training ist wirklich realitätsnah. Man steht unter echtem Stress und vergisst fast, dass es eine Puppe ist, die man versorgt. Es ist interessant, sich nachher auf dem Video anzusehen, was in der Situation gesagt wird und was nicht. Daraus lernt man am meisten. Statt zu sagen: ‚Ich brauche alles zur Intubation‘, ist eine gerichtete und spezifische Kommunikation wichtig: ‚Simone, kannst du Spatel und Tubus vorbereiten?‘.“

Weitere Trainings auf der Intensivstation sind geplant.

Team aus vier Ärzten und Pflegekräften beatmet eine Simulationspuppe

Auch wenn der Patient nur eine Simulationspuppe ist, die Anspannung des Teams ist echt. (Foto: M. Stobrawe)

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