Warum Schmerz nicht gleich Schmerz ist: Förderpreis für Schmerzforschung geht an Klinik für Neurologie

Warum Schmerz nicht gleich Schmerz ist: Förderpreis für Schmerzforschung geht an Klinik für Neurologie

Die Wahrnehmung von Schmerz ist außergewöhnlich variabel: Mehr als jede andere variiert die Wahrnehmung objektiv gleicher, potentiell schmerzhafter Reize von Moment zu Moment, von Person zu Person und von Gesunden zu Kranken. Die beiden Forscher Dr. Enrico Schulz und Dr. Markus Ploner von der Klinik für Neurologie am Klinikum rechts der Isar der TU München haben herausgefunden, wie diese enorme Variabilität der Schmerzwahrnehmung im Gehirn zustande kommt. Sie identifizierten zwei Typen von Hirnaktivität, die jeweils kurz- und langfristig bestimmen, wie stark ein Schmerz empfunden wird. Für ihre Arbeit wurde sie heute beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim mit dem mit 7.000 Euro dotierten ersten Preis der Kategorie Grundlagenforschung des Förderpreises für Schmerzforschung 2011 ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich vergeben von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. Stifterin ist die Grünenthal GmbH (Aachen).

Einfaches Experiment
Die Forscher haben ein einfaches Experiment entwickelt, in dem sie einer Gruppe gesunder Probanden wiederholt objektiv gleich starke Hitzeschmerzreize verabreicht haben. Die wahrgenommene Intensität jedes einzelnen Reizes wurde von den Probanden auf einer Skala von 0 bis 10 eingeordnet. „Die Verhaltensdaten bestätigen, dass die Wahrnehmung objektiv gleicher Hitzereize von Moment zu Moment und von Person zu Person variiert“, erläutert Dr. Schulz. Während des Experiments untersuchten die Wissenschaftler die Hirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG). In komplexen und innovativen Analysen der EEG-Daten setzten sie Schmerzwahrnehmung und Hirnaktivität miteinander in Beziehung.

Zwei Hirnbereiche prägen Änderungen der Schmerzwahrnehmung
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schmerzwahrnehmung von zwei unterschiedlichen Typen von Hirnaktivität – den schmerzevozierten Potentialen und den schmerzinduzierten Gamma-Oszillationen – geprägt wird“, so Dr. Ploner. Variationen der Schmerzwahrnehmung von Person zu Person spiegeln sich dabei in den gut untersuchten schmerzevozierten Potentialen wider. Variationen der Schmerzwahrnehmung von Moment zu Moment hingegen werden wesentlich durch in den letzten Jahren erstmals beschriebene hochfrequente, schmerzinduzierte Gamma-Oszillationen bestimmt. Unterschiedliche Typen von Hirnaktivität tragen somit verschiedene, einander ergänzende Information über die Variabilität der Wahrnehmung von Schmerz. Schmerzevozierte Potentiale prägen über längere Zeit unveränderliche Aspekte der Schmerzwahrnehmung, während schmerzinduzierte Gamma-Oszillationen kurzfristige Änderungen der Schmerzwahrnehmung prägen.

Schmerz besser verstehen
„Unsere Ergebnisse erlauben neue Einblicke in die Mechanismen der außergewöhnlichen Variabilität der Schmerzwahrnehmung im menschlichen Gehirn“, unterstreichen die Forscher. Diese Beobachtungen trügen somit zum Wissen über die neuronalen Grundlagen des Schmerzes bei. Darüber hinaus können die Befunde zum Verständnis extremer Variationen der Schmerzwahrnehmung im Sinne von chronischem Schmerz beitragen.


Kontakt
Dr. Enrico Schulz, Dr. Markus Ploner
Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Str. 22, 81675 München,
E-Mail: eschulzatlrz.tu-muenchen.de, ploneratlrz.tu-muenchen.de
 

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